Ist das Streikrecht in Gefahr?
Busbetreiber gegen die Gewerkschaft vida – das ist Brutalität: Da geht es aus Arbeitnehmer:innen-Sicht um mehr Geld, da geht es um bessere Arbeitsbedingungen für rund 12.000 Fahrer:innen in Österreich, die bei privaten Firmen angestellt sind. Und da geht es zur Sache: Ende Februar rief vida nach erfolglosen Verhandlungsrunden zum Warnstreik auf. Der fand statt – und dann flogen die Fetzen. Vor allem in Wien und vor allem bei den Unternehmen Gschwindl, Dr. Richard und Blaguss.
Laut vida gab es dort massive Einschüchterungsversuche der Unternehmensleitungen: Mitarbeiter:innen hätten sich in Streiklisten eintragen müssen, es sei zu Kündigungsdrohungen gekommen und die Polizei gerufen worden. Die Rede war von „Mafia-Methoden“ und davon, dass man Anzeigen bei entsprechender Beweislage in Erwägung ziehe.
Es geht um viel, denn Streik ist die stärkste Waffe im Arsenal der Arbeiter:innen und Angestellten. Die Gewerkschaft pocht darauf, dass in Österreich Streikfreiheit herrscht und diese geschützt ist. Die Materie ist, anders als in Deutschland, nicht direkt gesetzlich geregelt. Das ist auf Betreiben der Gewerkschaft so, die sich ihren Handlungsspielraum nicht einengen lassen will.
Dr. Richard jedenfalls dementiert die Vorwürfe in einer schriftlichen Stellungahme an die WZ. Es handle sich um „haltlose Unterstellungen“, heißt es hier. „Selbstverständlich können unsere Mitarbeiter:innen von ihrem Streikrecht Gebrauch machen.“ Und ganz im Gegenteil: Mit Gutscheinen bezahlte Student:innen hätten Busfahrer:innen gedrängt, gegen die eigene Überzeugung an dem Streik teilzunehmen. Arbeitswillige seien sogar durch externe Streikteilnehmer:innen beschimpft worden. „Die Falschaussagen der Gewerkschaft vida sind absolut unverschämt“, so Dr. Richard in einer Aussendung. Sogar der eigene Betriebsrat distanziere sich davon, denn das Betriebsklima bei Dr. Richard sei „ausgezeichnet“. Zudem habe man die Polizei nicht gerufen, die sei „bereits vor Ort“ gewesen. In Wahrheit sei die Gewerkschaft einfach frustriert, weil die Streikbereitschaft so gering gewesen sei.
Mittlerweile wurden die Kollektivvertragsverhandlungen, bei denen sich die Gewerkschaft mit Klimaschützer:innen verbündet hat, Anfang März erfolgreich beendet. Beide Seiten zeigen sich zufrieden. Nach gelebter österreichischer Sozialpartnerschaft hört sich das Vorgefallene trotzdem nicht an. Nach dem berühmten „sublimierten Klassenkampf“ auf dem Verhandlungstisch, von dem einst Kanzler Bruno Kreisky gesprochen hat, auch nicht. Eher nach handfestem Krach auf der Straße und nach Konfliktaustragung, wie wir sie aus Italien oder Frankreich kennen.
Auf Unternehmerseite ist man im Bereich der privaten Personenbeförderung jedenfalls wenig zimperlich. Ein Kenner der dortigen Arbeitssituation, der seinen Namen nicht genannt wissen will, bestätigt das. Bis zu 90 Prozent der Beschäftigten hätten Migrationshintergrund, die Leute würden seit jeher von der Geschäftsleitung unter Druck gesetzt. Beiläufig, oft – und subtil. Ein kurzer, scheinbar zufälliger Verweis auf die Fremdenpolizei oder das Nennen einer anderen Behörde reiche meistens aus. Die Migrant:innen täten sich schwer, derartige Ansagen einzuschätzen oder Reales von reiner Drohkulisse zu trennen. Jede in Aussicht gestellte Interaktion mit einer Behörde werde von den zugewanderten Fahrer:innen als potentielles Problem erkannt. Die Schulanmeldung der Kinder, verschiedene Papiere, die unter Umständen........
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