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Ökonom Marc Chesney: „Meine Kollegen sind zu oft Söldner des Kasino-Kapitalismus“

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01.12.2025

Mit „grünem Wachstum“ wird alles gut – diese Mär von guten Märkten entlarvt Marc Chesney in seinem Buch Stopp. Gegen Kasino-Finanzwirtschaft und die Vermarktung der Natur. Der Zürcher Professor beschreibt viele seiner Kollegen als „White-Collar-Söldner“ der Finanzkasinowirtschaft. Beliebt macht sich Chesney mit solchen Angriffen nicht. Doch wer sind die Profiteure dieses Systems, das die Welt in den Abgrund reißt? Ein Gespräch über das Gespenst des Finanzmarktkapitalismus.

der Freitag: Herr Chesney, der Dax stürzt gerade mal wieder ab. Wertpapiere wie Nestlé oder Microsoft gelten als „Aktien für die Ewigkeit“. Welche Geldanlage würden Sie empfehlen?

Marc Chesney: Ich kenne keine Aktien, die „für die Ewigkeit“ sind, und Aktien zu empfehlen, ist nicht meine Rolle.

Warum nicht? Sie leben doch im Bankenparadies Schweiz …

Ich arbeite nicht für eine Bank, und ich habe kein Vertrauen in die Finanzmärkte. Sie sind in Wirklichkeit der Spieltisch der Finanzkasinowirtschaft und werden von Hedgefonds, Großbanken und sogar Zentralbanken massiv manipuliert, um die Konzentration des Reichtums in wenigen Händen zu beschleunigen.

Während 45 Prozent der Welt mit weniger als sieben Dollar pro Tag überleben, ist Jeff Bezos am 20. Juli 2020 um 13 Milliarden Dollar reicher geworden – an einem Tag!

Steht es wirklich so schlimm?

Schlimmer. Für alle lebenswichtigen Bereiche blinken die Warnleuchten rot: Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt, Umweltverschmutzung im großen Stil, unerträgliche soziale Ungerechtigkeiten, ständige Kriege und die Gefahr eines Weltkriegs. Das System wird von einer Oligarchie gesteuert, die es sich in ihren klimatisierten Luxusvillen, in ihren Superjachten, Privatjets und zur Not in eigenen Atombunkern bequem macht und von dort aus, je nach eigener Interessenlage, Entscheidungen trifft, die Folgen für alle haben. Für die, die unter den Hitzewellen ächzen, die verhungern oder in den von der Oligarchie verursachten Kriegen sterben, die an Armut und an durch Entwaldung und Verlust von Artenvielfalt ausgelösten Pandemien leiden. Für normale Menschen ist dieses System ein regelrechtes Geschwür.

Wen meinen Sie konkret?

Jeff Bezos zum Beispiel gehört zu der kleinen Kaste der Milliardäre und Profiteure des Systems. Während circa 45 Prozent der weltweiten Bevölkerung mit weniger als sieben Dollar pro Tag überleben, ist er am 20. Juli 2020 um 13 Milliarden Dollar reicher geworden – an nur einem einzigen Tag! Es handelt sich ungefähr um das Doppelte des........

© der Freitag