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Shoppen für die innere Leere

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31.08.2025

TikTok, 23 Uhr. Ich wollte nur „kurz“ scrollen und lande in einem typischen Clean-Girl-Zimmer, eingerichtet in sad-beige-Tönen und mit weißen Hochglanzmöbeln. Mittendrin eine junge Influencerin umgeben von Einkaufstüten. Das kann nur eines bedeuten: Haul-Time! „Oh mein Gott, Mädels, rennt sofort zum DM. Die neue Skincare-Reihe ist da!“, ruft sie euphorisch und hält gleichzeitig die fünfte Creme in die Kamera.

Während ich direkt weiterwische, würde meine Freundin Azra dranbleiben. „Ich bin durch TikTok ein Konsumopfer geworden“, behauptet sie von sich selbst. Egal welche Werbung ihr ausgespielt wird, sie möchte alles austesten und probieren.

So schnell kann es gehen: Einmal zu viel gescrollt, durch ein Schaufenster geblickt oder auf eine Online-Shopping-Seite geklickt und schon hat man fast Geld ausgegeben. Meist für Dinge, die man in zehnfacher Ausführung bereits besitzt. Überkonsum ist hier das Stichwort, also das Kaufen und Verbrauchen von mehr Gütern als tatsächlich benötigt. Und so wenige sind davon gar nicht betroffen: Laut einer Studie der Arbeiterkammer ist jede:r fünfte Österreicher:in sogar kaufsuchtgefährdet. TikTok und Co. verstärken das häufig, durch Influencer:innen, die ständige Kaufempfehlungen aussprechen.

„Ich kaufe immer Produkte, die mir auf TikTok gezeigt werden, weil ich denke, die machen mich dann hübscher“, erzählt Azra. Der Grund dafür sei für sie klar: Ständig sieht sie makellose Influencerinnen, deren Anblick in ihr den Wunsch weckt, genauso auszusehen. Diesen Wunsch versucht sie mit dem Kauf unzähliger Produkte zu stillen. Das Ergebnis: In ihrem Zimmer stapeln sich unbenutzte Beauty-Produkte.

Psychotherapeut Alexander Chernikov erklärt, dass manche Menschen konsumieren, um ein inneres Loch zu füllen und sich kurzfristig besser zu fühlen. „Das an sich muss nicht per se etwas pathologisches sein, es kann jedoch in eine negative Richtung schwenken.“........

© Wiener Zeitung