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Zur Straffreiheit männlicher Gewalt

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26.04.2025

Ein wesentliches Erkennungszeichen patriarchaler Verhältnisse ist die Straffreiheit männlicher Gewalt an Frauen, insbesondere in ihrer sexuellen und sexualisierten Form.

In einigen Ländern der Welt beispielsweise wird Vergewaltigung nicht bestraft, wenn die Täter ihre Opfer heiraten. In anderen Ländern gibt es zwar keine Gesetze, die sexuelle und sexualisierte Gewalt offiziell straffrei stellen würden, in der Praxis ist sie es aber dennoch meist.

Ein Fall, der weltweit für Aufsehen sorgt, zeigt dies aktuell erneut:

Ein 24-jähriger Medizinstudent aus dem belgischen Löwen vergewaltigte im November 2023 bei einer Halloween-Party eine Kommilitonin. Vor Gericht bestand kein Zweifel daran, dass es sich bei der Tat um eine Vergewaltigung handelte – das Opfer nämlich war zu betrunken, um der sexuellen Handlung zuzustimmen.

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Das Urteil wurde schließlich am 1. April gefällt und die Strafe ist beachtlich – allerdings nicht beachtlich hoch: Der junge Mann wurde lediglich dazu verurteilt, 3.500 Euro Geldstrafe zahlen zu müssen. Freiheitsstrafe gibt es keine für ihn, noch nicht einmal gemeinnützige Dienste müssen von ihm geleistet werden. Auch wird seine Tat nicht ins Vorstrafenregister aufgenommen. Seit der Urteilsverkündung wird gegen den Schuldspruch (der eigentlich mehr einen Freispruch trotz Schuld darstellt) protestiert.

Der Grund für das geringe Strafausmaß ist ebenso beachtlich wie das Strafausmaß selbst: Die Milde des Urteils wurde nämlich nicht im Schweregrad der Tat begründet, sondern darin, dass der Richter befand, der Vergewaltiger wäre erstens sehr jung, zweitens sehr begabt, und er hätte hohes Ansehen, das ihm eine glänzende Karriere verheißen würde, die man ihm nun nicht versauen wollen würde. Wie begabt sein Opfer – ebenfalls Medizinstudentin – ist, wie jung oder wie angesehen die Frau ist, die er vergewaltigte, oder welche Karriere ihr........

© Wiener Zeitung