„Politik Backstage“: Neues Milliardenloch als Morgengabe
Es ist seit vielen Jahrzehnten ein Fixtermin in jedem Ministerkalender. Der frühe Mittwochvormittag ist, wenn nicht Brüssel zu einem EU-Rat ruft, terminfrei zu halten. Alle Regierungsmitglieder, die Klubchefs und zentrale Player in den Ministerkabinetten kommen um 10 Uhr zum wöchentlichen Ministerrat zusammen. Die eigentliche Sitzung dauert in der Regel weitaus kürzer als das hinterher angesetzte „Pressefoyer“: die wöchentliche Inszenierung der Polit-Spitzen von koalitionärer Einigkeit und temporeichem Arbeitswillen.
Wenn die Journalisten noch am Durchleuchtungsgerät ihrer Taschen am Eingang anstehen, um eine Viertelstunde nach dem offiziellen Beginn der Ministerratssitzung tropfenweise ins Kanzleramt vorgelassen zu werden, verlassen die ersten Teilnehmer bereits wieder die Regierungszentrale, die meisten demonstrativ geschäftig und knapp grüßend. Umgängliche Kommunikationsprofis wie SPÖ-Klubobmann Philip Kucher lassen sich auf einen kurzen Tratsch mit den wartenden Medienleuten ein. Das Gros der Teilnehmer biegt, ohne die Journalist:innen passieren zu müssen, ein paar Meter weiter zielstrebig Richtung Innenhof ab und besteigt eine der wartenden Dienstlimousinen.
Das ist ganz im Sinne der Regisseure des Politikrituals. Wem die mediale Bühne beim wöchentlichen Hochamt der Regierung gehört, wird in der Regel innerkoalitionär am Vortag ausgeschnapst.
Ab sofort wird bei der Verkündigung der mittwöchlichen Politbotschaften nicht mehr hinter durchsichtigen Pulten gestanden, sondern gesessen. Zur geteilten Freude der Kameraleute und Fotografen: Auf Tischen ruhende Oberkörper geben optisch weniger her.
Das neue Setting ist primär dem Wunsch geschuldet: Die erste Dreier-Regierung will sich auch im Außenauftritt von den bisherigen Zweier-Koalitionen unterscheiden. Regierungsintern mehr Kopfzerbrechen bereitet freilich: Wie schaffen es Türkis, Rot und Pink als eine Regierung aufzutreten? Wie wird aus drei Partei-Stimmen ein Koalitions-Chor? „Gar nicht“, proklamiert ein langjähriger Kommunikationsstratege im Regierungsviertel.
„Das ist bei besten Vorsätzen auch in früheren Regierungen nicht gelungen. Wenn zwei unterschiedliche Anliegen gleichzeitig präsentiert werden, kommt immer eines zu kurz. „Das sorgt für Misstrauen und unnötigen Zwist.“ Zumindest für die Startphase haben sich Türkis, Rot und Schwarz daher auf die Parole geeinigt: Nicht zwanghaft nebeneinander, sondern hintereinander.
Sprich: In der ersten Woche nach der Angelobung gehörte mit dem gesetzlichen Ankick für die Mietpreisbremse der SPÖ die Ministerratsbühne. Diese Woche war die ÖVP dran: Mit der vollmundigen, aber legistisch noch substanzlosen Ansage eines Stopps des Familiennachzugs von Asylwerbern und einem Mittelstandspaket.
Kommende Woche sollten, so der erste Plan, die Neos dran sein. Aber da wird der Regieplan schon an der Startrampe Pause haben und improvisiert werden müssen.
Denn Türkis-Rot-Pink will drei Wochen nach der Angelobung aufs Tempo drücken. Motto: Nach 150 Tagen Verhandlungen soll verlorenes Regierungsterrain rasch aufgeholt werden. Kommenden Dienstag wollen sich alle........
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