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Gay Gaze: Wenn Männer Männer objektifizieren

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01.07.2025

Picture this: Die Sonne scheint. Die Vögel zwitschern. Der Sommer ist in vollem Gange und die Tank Top Season hat begonnen. Aber sind die Oberarme auch wirklich bereit dazu? Haben wir den Winter über fleißig Eisen gestemmt und sind brav ins Fitnessstudio gesprintet, um jetzt der Blicke würdig zu sein?

In der heterosexuellen Welt gilt Objektifizierung, also die Reduktion auf Äußerlichkeiten, besonders wenn Frauen betroffen sind, längst als Problem. Sie wird benannt, kritisiert und zunehmend unterbunden.Verhaltensweisen wie Catcalling etwa werden klar als Belästigung eingeordnet. In der schwulen Community, also in jenen sozialen und kulturellen Räumen, in denen schwule Männer sich begegnen – sei es auf Partys, in Bars, auf Dating-Apps oder in sozialen Medien – wird kaum darüber gesprochen. Hier wird Objektifizierung nicht nur toleriert, sondern oft aktiv gewünscht und sogar als Lob gesehen.

Aber warum ist das so? Weil viele schwule Männer in einer Welt aufwachsen, in der ihre Sexualität als „falsch“ gilt und ihre Körper bestenfalls ignoriert, oft beschämt werden. Das hinterlässt Spuren. Begehrt zu werden fühlt sich dann wie eine späte Aufwertung an: Wer Begierde auslöst, existiert. Objektifiziert zu werden bedeutet in diesem Kontext nicht Entmenschlichung, sondern Bestätigung – du wirst gesehen, du gehörst dazu. Doch diese Anerkennung bleibt oberflächlich. Sie belohnt nur Äußerlichkeiten – und schließt all jene aus, deren Körper nicht dem Ideal entsprechen.

Diese vermeintliche Anerkennung erzeugt ein paradoxes Spannungsfeld: Manche schwule Männer leiden unter dem ständigen Fokus auf das Äußere, andere fühlen sich dadurch gestärkt. Doch dieses Selbstbewusstsein basiert selten auf echter Selbstakzeptanz, sondern meist auf äußerer Bestätigung – solange der Körper dem Ideal entspricht. Es ist ein fragiler Deal mit Verfallsdatum, denn Begehren ist volatil und Normschönheit vergänglich. Übrig bleibt oft ein brüchiges Selbstbild, das nie gelernt hat, sich unabhängig vom Spiegel der anderen zu definieren.

Schwule Männer objektifizieren und sexualisieren nahezu jeden Männerkörper. Nicht aus Bosheit, sondern weil es als kulturelle Norm gilt. Gerade in schwulen Räumen ist es allgegenwärtig: Männer werden angestarrt, angefasst, ausgerichtet und auf ihren Körper sowie ihr Aussehen reduziert ​​– ein Kreislauf, in dem man zugleich Objekt ist und andere zum Objekt macht. Und obwohl Begriffe wie „übergriffig“ längst Teil der gesellschaftlichen Debatte sind, ist es erstaunlich, wie wenig sie in schwulen Kontexten Anwendung finden, selbst in linken, vermeintlich progressiven Bubbles.

Die Realität zeigt, dass die sogenannten Safe(er) Spaces oft alles andere als sicher sind. Übergriffigkeit in Gay Bars und Clubs ist gang und gäbe. Bemerkungen wie „Du siehst aus, als hättest........

© Wiener Zeitung