Warum Wissenschaft nicht reißerisch ist
Am 23. Februar wählt Deutschland eine neue Regierung. Doch in Fernsehdiskussionen zum Wahlkampf sind Bildung, Wissenschaft und Forschung kein Thema. Welche Schwerpunkte muss eine künftige deutsche Regierung setzen, um in den Wissenschaften wettbewerbsfähig zu bleiben?
Bildung, Wissenschaft und Forschung wurden nicht direkt im Fernseh-Duell zwischen Friedrich Merz und Olaf Scholz benannt, da haben Sie recht. Die Bereiche werden jedoch indirekt angesprochen, wenn man sich um die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands Gedanken macht. Wachstum und die Beibehaltung des Wohlstands in Deutschland werden durch Forschung und Innovation ermöglicht. Wir können uns ja nicht auf den Dingen, die wir vor 100 Jahren erfunden haben, ausruhen, sondern müssen unsere Gesellschaft durch Wissenschaft und Innovation ständig voranbringen. Das wird ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor sein.
Was heißt das konkret für den laufenden Wahlkampf?
Das heißt, dass ein Bildungsministerium in einer künftigen Regierung eine wichtige Aufgabe haben wird, weil Deutschland ohne Bildung, Forschung und Innovation ins Hintertreffen geraten wird. Um mit den anderen Ländern mithalten zu können, muss eine künftige Regierung diesen Bereich forcieren.
Welche Empfehlungen haben Sie an eine künftige Bundesregierung?
Ein paar Themen liegen auf der Hand. Künstliche Intelligenz, Klima, Migration und Gesundheit sind wichtige Bereiche, die eine künftige Regierung vorantreiben muss. Wieder andere Themen werden aus der Wissenschaft kommen. Die Regierung muss die Ziele vorgeben, aber die Wissenschaft braucht Freiräume, um sich zu entwickeln. Innovationen und Erfindungen kann man nicht einfach in Auftrag geben. Die Forschung muss ergebnisoffen sein, wie man ja auch am Beispiel der Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid-19 beobachten konnte. Die mRNA-Impfung gegen Corona ist auf Forschungsanstrengungen zurückzuführen, die Jahre und Jahrzehnte zurückliegen, und die ursprünglich nicht gezielt auf Covid ausgerichtet waren, aber auf deren Basis ein Covid-Impfstoff möglich war. In Deutschland müssen wir unseren Werkzeugkasten breit aufstellen, um die Wissenschaft und letztlich den Standort zu stärken.
In den USA werden täglich neue Forschungsprojekte gestrichen und die Budgets der wichtigsten Institutionen, etwa der Gesundheitsbehörde National Institutes of Health, gekürzt. Auch in Europa wird mit Wissenschaftsfeindlichkeit Politik gemacht. Welche langfristigen Konsequenzen hat das und wie kann die Wissenschaft sich einbringen, um das zu verhindern?
Man hofft, dass man sagen kann, so schlimm wie in den USA wird es nicht kommen. Wobei ich sagen muss, dass das, was man derzeit fast stündlich aus den USA hört, die meisten von uns sich tatsächlich vor einem Jahr nicht vorgestellt hätten. Man kann nicht davon ausgehen, dass uns das nie treffen wird. Wir leben seit Covid mit vielen Krisen. Nach der Pandemie hatten wir gedacht, wir sind ganz gut durchgekommen, aber........
© Wiener Zeitung
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