Marterbauer & Hattmannsdorfer: „Wir sind in einer anderen Liga“
Im Parlament hielt Finanzminister Markus Marterbauer heute seine erste Budgetrede. Große Überraschungen waren nicht dabei - dass künftig auf viele Bereiche Einschnitte zukommen werden, war schon vorab kommuniziert worden. Um heuer 6,4 Milliarden und im kommenden Jahr 8,7 Milliarden Euro einzusparen, wird der Sparstift u.a. bei Umwelt- und Energieförderungen angesetzt, ÖBB-Baupläne werden verschoben, der Klimabonus abgeschafft, die Krankenversicherungsbeiträge von Pensionist:innen erhöht und der Sparkurs in den Ministerien selbst fortgeführt.
Die Reaktionen auf die Sparpläne fallen gemischt aus. Der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria nennt den Budgetplan keine Sanierung, sondern „ein Placebo". Agenda-Austria-Direktor Franz Schellhorn fehlen weitreichende Einsparungen im öffentlichen Bereich.
Die Industriellenvereinigung bewertet die Budgetrede und den Plan der Bundesregierung „vorsichtig optimistisch“, vermisst jedoch notwendige Strukturreformen. Sie sieht nach wie vor eine Mehrbelastung der Industrie und eine fehlende Standortentlastung.
Die Einsparung in klimapolitischen Maßnahmen werden von Katharina Rogenhofer, Vorständin des Kontext-Instituts, bemängelt. Auf den Klimabereich würden ein Drittel der Sparlast entfallen. „Mit den Strafzahlungen, die anfallen, wenn Österreich die EU-Klimaziele nicht erreicht, hängt ein milliardenschweres Damoklesschwert über dem Budget“, warnt Rogenhofer.
Auch Wifo-Expertin Margit Schratzensteller sieht die Kürzungen im Klimabereich als „Wermutstropfen" des großen „Kraftakts" des Doppelbudgets. Ebenfalls zu kritisieren seien die Kürzungen in der Entwicklungsarbeit, wo sich Österreich deutlich vom international vereinbarten Ziel von 0,7 Prozent entfernt hat. Dass der Finanzminister sein Hauptaugenmerk auf die Ausgabenseite gelegt hat, erkennt die Wifo-Expertin als „vernünftig".
Zwei, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: der eine Kapitalismuskritiker, SPÖ-Mitglied und tief in der Arbeiterkammer verankert. Der andere seit der Mittelschule Mitglied des Kartellverbands und danach auf der ÖVP-Karriereleiter stets aufwärts strebend, zuletzt Kurzzeitgeneralsekretär in der Wirtschaftskammer Österreich. Und doch können Finanzminister Markus Marterbauer und Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer gut miteinander, weil sie „beide sehr pragmatisch sind und eine sehr feste ideologische Verankerung haben“, wie sie im Interview erläutern. Und vielleicht auch ein bisschen, weil beide in oberösterreichischen Industriestädten aufgewachsen sind. Die dramatische Wirtschafts- und Budgetlage zwingt die zwei Politiker jedenfalls dazu, eng zusammenzuarbeiten, um das Land voranzubringen. Sie sind in jeder Silbe um Optimismus und das Verbreiten guter Stimmung bemüht. Trotz des Betonens der Gemeinsamkeiten wird im Gespräch aber auch schnell deutlich, wo die Sollbruchstellen liegen: Rüstungswirtschaft, Aktienkultur, Klimaschutz. Wie es die Sanierung von Standort und Budget schaffen will, erklärt das „gemischte Doppel“ im Interview mit dem trend.
trend: Sie haben die Bevölkerung kurz nach Regierungsantritt auf zwei harte Jahre eingeschworen. Nun ist das Budgetloch deutlich größer – werden es vier oder gar mehr Jahre?
Markus Marterbauer (M): Die Ausgangslage ist ernst. Wir haben im Regierungsprogramm ja vereinbart, dass die Budgetkonsolidierung Priorität hat. Heuer konsolidieren wir 6,4 Milliarden Euro, 2026 8,7 Milliarden Euro. Das wird die Bevölkerung auch merken. Danach werden wir zwar weiter etwas tun müssen, aber im Wesentlichen wollen wir ins Gestalten kommen – für den Arbeitsmarkt, für den Standort, für die Bildung.
IHS und Wifo sprechen in ihrer jüngsten Prognose von Sparnotwendigkeit über die ganze Legislaturperiode. Ändert das Ihre Einschätzung?
M: Nein.
Sollte ein Defizitverfahren, wie es sich jetzt abzeichnet, für EU-Nettozahler wie Österreich nicht ausgesetzt werden?
M: Das halte ich nicht für sinnvoll. Die Budgetpolitik zwischen den Mitgliedsländern muss ja koordiniert werden. Das bedeutet, dass man in manchen Phasen gemeinsam expansiv sein muss und in anderen Phasen darauf schauen muss, dass die Defizite nicht überhandnehmen. Würde die EU-Kommission ein Defizitverfahren erklären – wir suchen uns das ja nicht aus –, würde das angesichts des hohen Defizits 2024 und des heuer zu erwartenden Defizits klar über drei Prozent den Regeln entsprechen.
Die Drei-Prozent-Grenze beim Defizit ist für Sie sinnvoll?
M: Sie ist schwer ökonomisch begründbar. Aber das ist nun einmal die Konvention.
Wolfgang Hattmannsdorfer (H): Die Budgetkonsolidierung beschreibt zwei Dinge, für die die neue Regierung stehen möchte. Neue Ehrlichkeit und eine Politik mit Grips. Wir beide kommunizieren mit voller Transparenz, dass wir ein Budgetproblem haben. Die Leute erwarten von der Politik, dass sie nicht mit Schmäh bei Laune gehalten werden.
Vieles hängt derzeit an der Hoffnung auf Wachstum. Dass der Funken des deutschen Konjunkturpakets auf Österreich überspringt, ist ebenso unsicher wie ein Impuls aus einem Ukraine-Wiederaufbauprogramm. Dazu kommen Trumps Handelskriege. Woher soll das Wachstum kommen?
H: Die wirtschaftliche Situation ist herausfordernd. Nicht nur wegen der budgetären Lage. Die Grundlage, auf der unser Wohlstand fußt, ist gerade im Umbruch. Der internationale Handel und der Export erleben gerade, wenn ich an die USA denke, eine komplette Neudefinition in Richtung Protektionismus. China wird immer mehr vom Einkäufer zum Verkäufer. Wir verzeichnen geopolitische Blockbildungen. Für die Frage, wie Österreich wieder auf eine Wachstumsspur zurückkommt, ist die........
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