„Ich gehöre nicht in den Kreis der Philosophen“: Hannah Arendts „Denken ohne Geländer“
03. Dezember 2025 | Frank Priess
Hannah Arendt: außergewöhnliches Leben, radikales Denken. Ihre Erfahrungen formen ein Werk, das bis heute politische Klarheit und Mut zum Nachdenken fordert.
„Ich stehe nirgendwo. Ich schwimme wirklich nicht im Strom des gegenwärtigen oder irgendeines anderen politischen Denkens. Allerdings nicht deshalb, weil ich besonders originell sein will – es hat sich vielmehr einfach so ergeben, dass ich nirgendwo so richtig reinpasse.“
Hannah Arendt, 1972 in Toronto
Außergewöhnliche Zeiten bringen außergewöhnliche Menschen hervor. Dieser Satz bestätigt sich in der Person von Hannah Arendt allemal – Leben und Werk gehen bei ihr ganz augenscheinlich eine Symbiose ein. „Ich glaube nicht, dass es irgendeinen Denkvorgang gilt, der ohne persönliche Erfahrung möglich ist“, meinte Hannah Arendt selbst: „Alles Denken ist Nachdenken, der Sache nach-denken.“ Philosophisches Dasein war für sie nur als In-der-Welt-sein und handeln möglich, weshalb sie sich auch nie auf den Begriff „Philosophin“ festlegen ließ (vgl.u.a. Gespräch mit Günter Gaus 1964), sondern die ganze Bandbreite der politischen Theorie, von Soziologie und Psychologie immer mit bespielte. Ein bisschen dünn also, wenn der Große Brockhaus nur „Soziologin und Politologin“ vermeldet, lediglich die Studien zum Totalitarismus erwähnt und Jaspers und Husserl als akademische Lehrer nennt. Die 430 Titel von Publikationen, die bei ihrem Tod zu Buche stehen, spiegeln sich da ebenso wenig wie die zahllosen Etiketten, die man ihr zeitlebens angeklebt hat: Jüdin, Sozialistin, Konservative, Feministin, Rassistin, selbsthassende Jüdin, Zionistin, Überlebende, allein diese finden sich beim Biographen Thomas Meyer. Die Frau, die „ohne Geländer“ dachte, war offenbar schwer zu fassen: „nicht rechts, nicht links, aber immer radikal kritisch“.
Persönliche Erfahrungen hat Hannah Arendt reichlich gesammelt. Da ist natürlich ihre jüdische Herkunft aus einer alteingesessenen Königsberger Familie, die sie prägt und wesentliche Weichen ihres Lebens stellt. Das Judentum stand für sie – erst unbewusst, später klar artikuliert – nie zur Disposition und war anderem prioritär, weshalb sie sich auch nie als Deutsche definieren wollte. Auf Antisemitismus reagiert sie, von der Mutter klar dazu angehalten und unterstützt, schon in der Schulzeit deutlich und klar. Früh beschäftigte sie sich mit Judenemanzipation und Assimilationsversuchen, das Spannungsverhältnis von „Parvenu“ und „Paria“ bildete ein vertrautes Begriffspaar. Von Antisemitismus blieb auch ersterer nicht verschont, wie sie immer wieder klar herausarbeitet und mit Beispielen belegt, gesellschaftliche Anerkennung war mit wirtschaftlich-politischem Aufstieg nicht unbedingt verbunden.
Die schlimmste Ausprägung fand der Antisemitismus natürlich im totalitären System des Nationalsozialismus, das Arendt zusammen mit dem Sowjetbolschewismus in „Origins of Totalitarianism“ analysierte, das Werk, das 1951 zuerst in Amerika erschien und sie weltweit bekannt machte. Die deutsche Ausgabe unter dem Titel: „Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft“ folgte 1955. Ein ganz neuer und anderer Staatstypus wurde sichtbar, die Staatsformenlehre aus zwei Jahrtausenden hatte sich überholt. Der „Mob“, in dem sich Ideologie in Bewegung setzt, die ständig in Bewegung gehaltene Bewegung, die Synthese von Mob und Elite, die Abdankung jeglicher Verantwortung paaren sich mit Rassegedanken, die Arendt schon aus literarischen Werken, vor allem Joseph Conrads „Heart of Darkness“, dem rassistisch grundierten Imperialismus kennt. Literatur und Dichtung sind für sie ohnehin immer Referenzpunkte, Seismographen, in und mit denen Wahrheit und Erkenntnis möglich ist – in die Welt der Bücher ist sie schon im elterlichen Haushalt eingetaucht.
Hinzu kommt nun die Vereinnahmung aller Lebensbereiche durch das totalitäre System. Das........





















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