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Wer vom Genozid nicht sprechen will, sollte von Sachbeschädigung schweigen

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23.04.2025

Und dennoch müssen wir fragen: Wie kann die Palästinabewegung aus der Isolation ausbrechen? Überlegungen im Nachgang der Besetzung an der HU Berlin.

Am 16.04.2025 kam es in Berlin an der Humboldt Universität zu Berlin zu einer Besetzung des Emil Fischer Hörsaals. Die Aktivist:innen besetzten den Hörsaal gegen 14 Uhr in der ersten Woche der Vorlesungen. Der seit 564 Tagen anhaltende Genozid in Gaza und die zahlreichen Kriegsverbrechen, wie das Bombardieren des letzten Krankenhauses durch Israel, bezeugen  die Dringlichkeit solcher Aktionen. Gleichzeitig finden sich aktuell vier Aktivist:innen, die #Berlin4 genannt, vor Gericht, um gegen ihre drohenden Abschiebungen aus Deutschland zu klagen. Dass die vier ohne Verurteilung und nur auf Basis ihrer politischen Aktivität abgeschoben werden sollen, stellt eine erneute Verschärfung der autoritären Tendenzen der hiesigen Regierung dar. Der deutsche Staat, das Land Berlin und die Universitätsleitungen zeigen sich hier mitschuldig an diesem Genozid und der Unterdrückung der legitimen Proteste.

Während der Besetzung unter dem Motto „Free Palestine means No Borders“ forderten die Aktivist:innen ein Ende aller Abschiebungen, einen kulturellen wie akademischen Boykott von Israel, und ein Ende des Genozids und der Besetzung Palästinas. Weiter forderten sie die Geschichte und Gegenwart der kolonialen Politik Deutschlands aufzuarbeiten, eine autonome und freie Universität ohne Repressionen, sowie die Errichtung von Ethik-Komitees unter studentischer Kontrolle.

Wir unterstützen diese Forderungen im Allgemeinen, und unterstreichen vor allem politisch, dass der Aufbau von basisdemokratischen Komitees eines der wichtigsten Mittel sein wird, um die autoritär und kapitalistisch geführten Institutionen zu echten Orten des freien Wissens und Austausches zu machen. Die Forderung nach studentisch kontrollierten Ethik-Komitees ist ein konkreter Schritt in Richtung einer selbstorganisierten Universität – ein Ziel, das wir teilen. Um eine solche Forderung umsetzen zu können, wird es jedoch notwendig sein, eine möglichst breite Bewegung von Studierenden und Beschäftigten an den Unis aufzubauen (wir werden darauf zurückkommen).

Die Unileitung unter Julia von Blumenthal verweigerte sofort jeden Dialog mit den Besetzenden unter dem Vorwand der Sachbeschädigung. Dabei fiel kein Wort von ihr zu dem Genozid in Gaza und den politisch motivierten Abschiebungen in Berlin. Die bei der Hörsaalbesetzung entstandenen Schäden sind aber kein blinder Vandalismus, sondern der verzweifelte Versuch, in einer unerträglichen Situation etwas zu bewirken. Auch wenn wir diese Taktik nicht teilen (weil wir sie nicht für effektiv halten), ist sie in der gegebenen Situation legitim und darf nicht isoliert vom politischen Kontext betrachtet werden. Während von Blumenthal sich über Graffitis aufregt, interessiert es sie offenbar nicht, dass es mittlerweile über 51.000 Tote in Gaza (17.400 davon Kinder) gibt oder dass alle Universitäten dort in Schutt und Asche liegen. Das ist kein Versehen, sondern eine bewusste Entscheidung.

Die HU-Präsidentin hätte sich entscheiden können, sich mit den Protestierenden und ihren Forderungen auseinanderzusetzen. Stattdessen ließ sie unmittelbar nach Beginn der Besetzung verkünden, es werde keine Verhandlungen geben, und rief die Polizei auf den Campus, in vollem Wissen, dass diese Entscheidung bereits bei der Räumung des Jabalia-Instituts im Mai 2024 zu dokumentierten Angriffen gegenüber Studierenden und auch einem Journalisten sowie mindestens einem Fall sexualisierter Gewalt seitens der Polizei geführt hatte. Auch dieses Mal kam es zu etlichen Vorfällen von Polizeigewalt, nachdem die anwesenden Journalist:innen zuerst von der Polizei........

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