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Verborgene Schätze im Innenhof

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02.12.2025

Joachim Jacobs steht in der Charlottenburger Kantstraße und klingelt. Er sagt: »Hoffe, das klappt, wie vereinbart.« Aber nichts passiert. Der 65-Jährige klingelt noch einmal. Es sei verabredet gewesen, dass er gegen 16 Uhr in den Hinterhof gelassen werde. Nach zwei Minuten der Unsicherheit steht ein Mann auf, der vor einem Café nebenan sitzt und fragt, ob er helfen könne. Als er hört, dass sich im zweiten Hinterhof eine ehemalige Synagoge befinden soll, schaut er erstaunt – und öffnet der 20-köpfigen Gruppe das Haus.

Kurz darauf stehen alle im zweiten Hinterhof und schauen auf eine Fassade, die übersät ist mit Einschusslöchern aus dem Zweiten Weltkrieg. Jacobs erzählt, dass ausgerechnet die SS in den letzten Kriegstagen die Thorat-Chesset-Synagoge als Rückzugsort vor den russischen Angreifern nutzte. »Zwischen 1908 und 1939 haben hier bis zu 280 Juden jeden Freitag den Schabbat gefeiert.« Eine typische Hinterhof-Synagoge eben.

»Dass sie nicht zerstört wurde, liegt daran, dass sie auch damals umgeben war von Wohnhäusern.« Man befürchtete ein Überspringen der Flammen. Jacobs ist in diesem Augenblick kaum zu verstehen, weil genau hinter der Synagoge eine S-Bahn in Richtung Savignyplatz donnert – wie auch schon vor 100 Jahren.

Das Zusammenleben von jüdischen und anderen Berlinern mitten in der Großstadt ist so etwas wie das Hauptthema dieser Führung an einem Sonntag Ende September in Charlottenburg. Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin (GCJZ) hat dazu geladen, und gekommen sind viele jüdische und vor allem nichtjüdische Berliner. Die Teilnehmerliste war schnell gefüllt, sagt Beatrice Loeb von der GCJZ. Sie veranstalten jedes Jahr mehr als 100 Termine – aber wenn das Interesse da ist, könne es solche Führungen auch öfter........

© Juedische Allgemeine