Lesen Sie jüdisch?
Auf die oft und gern gestellte Frage »Was ist jüdische Literatur?« gibt es bekanntermaßen keine eindeutige Antwort. Handelt es sich, unabhängig vom Inhalt, um literarische Texte, die von Jüdinnen und Juden geschrieben wurden? Oder handelt es sich vielmehr um Texte von Jüdinnen und Juden zu jüdischen Themen beziehungsweise um Texte über jüdisches Leben?
Gehören Texte zu jüdischen Themen, die von Nichtjuden verfasst wurden, auch zur jüdischen Literatur? Ist Lessings Nathan der Weise jüdische Literatur? Oder Kafkas Romane? Was ist mit dem Werk von Elfriede Jelinek, die selten als Jüdin wahrgenommen wird, aber zum Teil jüdischer Herkunft ist, was ihre Biografie und Wahrnehmung zweifellos geprägt hat?
Darüber und über ähnliche Fragen wurde viel nachgedacht, gestritten und viel geschrieben. Selten hingegen wurde die Frage gestellt, wie man sich als Jude oder Jüdin beim Lesen seiner jüdischen Wurzeln besinnt. Lesen Sie jüdisch? Lesen – ich spreche hier natürlich vor allem von literarischen und essayistischen Texten – ist stets eine Interaktion zwischen eigener Identität und der daraus resultierenden Wahrnehmung und einer Außenwelt, die durch Texte gespiegelt, verzerrt, gebrochen und interpretiert wird.
Schon als Kind habe ich darauf geachtet, wie jüdische Figuren dargestellt werden.
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