Bürgergeld war gestern
Im Herbst der Reformen steht die Generalüberholung des Bürgergelds ganz oben auf der Prioritätenliste. Ob die geplanten Sanktionen & Kürzungen tatsächlich zu einer spürbaren Belebung auf der Angebotsseite des Arbeitsmarktes führen werden – daran hat Henning Hirsch jedoch so seine Zweifel. Eine Hartz 4-Kolumne.
Mittlerweile hat auch der letzte Sozialstaatromantiker-Boomer verstanden, dass Reformen hermüssen. Und zwar schon in diesem Herbst, weil sonst die Wirtschaft abschmiert, die Arbeitslosigkeit steigt, das System unbezahlbar wird, und es so halt auch im Wahlprogramm der CDU drinsteht, und der Kanzler zudem zur Eile drängt.
Nun sind ja Reformen per se nichts Schlechtes. Irgendwas wird ständig reformiert – aktuell steht die Bundeswehr wieder ganz oben auf der To-do-Liste – oder re-reformiert wie beispielsweise die Rückabwicklung vieler von der Ampel beschlossener Klimaprojekte. Reform mithin als Normalzustand und Daueraktivität im Politikbetrieb. Warum also nicht auch die Sozialsysteme periodisch überprüfen und – falls notwendig – entsprechend neu justieren? Spricht erst mal nichts dagegen.
Aus der Sicht des Bundes stellt die Position ‚Soziales‘ (sog. Haushaltsstelle 11 = Bundesministerium für Arbeit und Soziales) wahrlich einen Riesenbrocken dar: im laufenden Jahr werden dafür nahezu 200 Milliarden Euro verausgabt, was wiederum ca. 38 Prozent des Gesamtbudgets entspricht. Damit ist ‚Soziales‘ unangefochtener Spitzenreiter. Auf den Plätzen folgen ‚Verteidigung‘ (16%) und ‚Allgemeine Finanzverwaltung‘ (was auch immer sich dahinter verbergen mag; knapp 9%). Die Haushaltsstelle 11 wird wiederum in Kapitel unterteilt, von denen die beiden wichtigsten ‚1102: Rentenversicherung und Grundsicherung im Alter‘ und ‚1101: Leistungen nach dem Zweiten und Dritten Sozialgesetzbuch‘ lauten. Da wir uns im Folgenden auf das Bürgergeld konzentrieren, soll Kapitel 1101 noch etwas weiter aufgedröselt werden. Es gliedert sich in ‚Titel‘, die da heißen: ‚Bürgergeld‘, ‚Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung‘, ‚Verwaltungskosten‘, ‚Leistungen zur Eingliederung in Arbeit‘, ‚Darlehen an die Bundesagentur für Arbeit‘ zzgl. ein paar weitere kleine Titel und summiert sich auf sagenhafte 55 Mrd. Euro/Jahr (Bund). On top zu rechnen ist der Anteil der Kommunen für Unterbringung & Heizung, der von Bundesland zu Bundesland variiert; wenn wir ihn durchschnittlich hälftig ansetzen, wären das zusätzliche 6 bis 7 Mrd, sodass wir jetzt schon bei 60 angelangt sind. Da allerdings nicht sämtliche Ausgaben eins zu eins den Empfängern zufließen, liest und hört man in den Medien zumeist die Zahl 50 (Milliarden Euro/Jahr), sobald die Rede aufs Bürgergeld kommt, der ich mich, weil ich mir 50 gut merken kann, und das hier eine Kolumne und kein Fachreferat vor Finanzwissenschaftlern ist, der Einfachheit halber anschließen werde.
Den 50 Milliarden stehen aktuell 5.5 Millionen Bezieher gegenüber. Diese splitten sich (grob) in: 4 Mio. erwerbsfähige (-> Arbeitslosengeld II) und 1.5 Mio. nicht-erwerbsfähige (-> Sozialgeld) Empfänger.
Der monatlich vom Jobcenter an den „Kunden“ überwiesene Betrag setzt sich zusammen aus:
Regelsatz: 563 Euro (alleinstehender Erwerbsfähiger)
Kaltmiete
Heizung
Nebenkosten Wohnung.
Ist........
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