„20-Prozent-Chance, dass sie uns tötet“: Sogar das Silicon Valley bibbert vor der Super-KI
Im 8.49-Uhr-Zug durchs Silicon Valley sind die Tische voll mit jungen Menschen, die wirken, als seien sie an ihre Laptops geklebt: Mit Ohrstöpseln im Ohr tippen sie ununterbrochen Codes. Während die Hügel Nordkaliforniens vorbeiziehen, erscheinen auf ihren Bildschirmen Anweisungen der Chefs: „Diesen Bug fixen; dieses Skript ergänzen.“ Zeit für die Aussicht bleibt keine. Diese Pendler sind die Fußsoldaten im globalen Rennen um Künstliche Intelligenz – also KI-Systeme, die mindestens so fähig sind wie hochqualifizierte Menschen.
Hier in der Bay Area von San Francisco kämpfen einige der größten Konzerne der Welt um jeden kleinen Vorsprung. Und indirekt treten sie gleichzeitig gegen China an. Dieses Ringen um eine Technologie, die die Welt verändern könnte, wird mit Billionenbeträgen befeuert – gesetzt von den mächtigsten Kapitalisten der USA. Wer wird das Rennen gewinnen? Und noch viel wichtiger: Welchen Preis wird die Menschheit dafür zahlen?
Die Informatiker steigen in Mountain View für Google DeepMind aus, in Palo Alto für die Talentschmiede der Stanford University und in Menlo Park für Meta, wo Mark Zuckerberg angeblich bis zu 200-Millionen-Dollar-Pakete bietet, um KI-Experten abzuwerben, die „Superintelligenz“ bauen sollen.
Für den KI-Chip-Hersteller Nvidia, dessen stets lächelnder Chef Jensen Huang rund 160 Milliarden US-Dollar schwer ist, steigen sie in Santa Clara aus. Andere fahren in die entgegengesetzte Richtung nach San Francisco zu OpenAI und Anthropic – zwei KI-Start-ups, die zusammen rund eine halbe Billion Dollar wert sein sollen, sofern die oft beschworene KI-Blase nicht platzt. Die Durchbrüche kommen immer schneller: Jede Woche erscheint eine neue, bedeutende KI-Entwicklung.
Dario Amodei, Mitgründer von Anthropic, prophezeit, dass wir eine „Artificial General Intelligence“ (AGI) schon 2026 oder 2027 erreichen könnten. Gemeint ist damit eine KI, die in der Lage ist, jede geistige Aufgabe zu verstehen oder zu erlernen, die auch ein Mensch bewältigen kann. Sam Altman, der Chef von OpenAI, glaubt, der Fortschritt sei inzwischen so schnell, dass er bald eine KI bauen könne, die ihn selbst als CEO ersetzt.
„Alle arbeiten ständig“, sagt Madhavi Sewak, eine Führungskraft bei Google DeepMind, kürzlich in einem Vortrag. „Es ist extrem intensiv. Es gibt keinen natürlichen Punkt zum Aufhören, und alle werden irgendwie zermürbt. Selbst die, die jetzt sehr reich sind … alles, was sie tun, ist arbeiten. Ich sehe keine Veränderung im Lebensstil. Keiner macht Urlaub. Menschen haben keine Zeit für Freunde, Hobbys oder … die Menschen, die sie lieben.“
Diese Unternehmen rasen darauf zu, AGI zu formen, zu kontrollieren und daraus Profit zu schlagen – etwas, das Amodei „ein Land voller Genies in einem Rechenzentrum“ nennt. Sie jagen einer Technologie hinterher, die theoretisch Millionen von Büroarbeitsplätzen wegfegen und ernste Risiken bei Biowaffen und Cybersicherheit schaffen könnte. Oder sie könnte eine neue Ära von Wohlstand, Gesundheit und Überfluss einleiten. Niemand weiß es – aber wir werden es bald erfahren. Derzeit treibt diese Unsicherheit die Bay Area zugleich an und macht ihr Angst.
Das Ganze wird gestützt durch riesige neue Wetten der Venture-Capital-Investoren des Valleys, die sich im letzten Jahr mehr als verdoppelt haben – viele warnen deshalb vor einer gefährlichen Blase. Die Investmentbank Citigroup hob im September ihre Prognose für die KI-Datacenter-Ausgaben bis zum Jahrzehntende auf 2,8 Billionen Dollar an – mehr als die gesamte jährliche Wirtschaftsleistung von Kanada, Italien oder Brasilien. Doch zwischen all dem Geld und dem Optimismus gibt es auch Stimmen, die den Hype nicht schlucken.
Oder wie Alex Hanna, Mitautorin des kritischen Buchs The AI Con, es ausdrückte: „Jedes Mal, wenn wir den Gipfel des Bullshit-Bergs erreichen, entdecken wir, dass es noch schlimmer geht.“
In einem fensterlosen Industrieschuppen in Santa Clara, am südlichen Ende der Caltrain-Linie, dröhnten Regale voller Multimillionen-Dollar-Mikroprozessoren in schwarzen Stahlkäfigen wie Düsenjets. Der Lärm von 120 Dezibel machte es fast unmöglich, Digital Realtys Technikchef zuzuhören, der stolz seine „Screamer“ präsentiert.
Wer ihn hört, spürt im Schädel die rohe Gewalt, die in der Entwicklung von KI steckt. Schon fünf Minuten in diesem Geräusch hinterlassen ein stundenlanges Klingeln in den Ohren. Es ist der Sound der Luftkühler, die empfindliche Supercomputer herunterkühlen – Supercomputer, die KI-Firmen mieten, um ihre Modelle zu trainieren und Milliarden täglicher Anfragen zu beantworten, von „Wie backe ich Brownies?“ bis „Wie steuere ich tödliche Militärdrohnen?“
In der Nähe stehen weitere KI-Rechenzentren – von Amazon, Google, Alibaba, Meta und Microsoft. Santa Clara ist außerdem die Heimat von Nvidia, dem Quartiermeister der KI-Revolution, dessen Marktwert seit 2020 um das 30-Fache gestiegen ist – auf 3,4 Billionen Dollar. Noch größere Rechenzentren entstehen nicht nur in den USA, sondern auch in China, Indien und Europa. Die nächste Grenze: Rechenzentren im Weltraum.
Meta baut in Louisiana ein Rechenzentrum, das einen großen Teil Manhattans bedecken könnte. Google plant angeblich ein Sechs-Milliarden-Dollar-Zentrum in Indien und investiert eine Milliarde Pfund in ein KI-Rechenzentrum nördlich von London. Selbst eine vergleichsweise kleine Google-KI-Fabrik in Essex soll so viel CO₂ verursachen wie 500 Kurzstreckenflüge pro Woche.
In Santa Clara fraßen die Schaltkreise eines einzigen Raums – betrieben von einem lokalen Gaskraftwerk – so viel Energie wie 60 Häuser. Ein langer, weißer Korridor führte zu Raum nach Raum voller weiterer „Screamer“, so weit das Auge reichte. Manchmal merken die diensthabenden Techniker, dass der Lärm auf ein ruhigeres Brummen zurückfällt, wenn die Nachfrage der Techfirmen sinkt. Doch es dauert nie lange, bis das Kreischen zurückkehrt.
Fährt man drei Stationen nördlich Richtung Mountain View, wird der Lärm leiser. Die Computerwissenschaftler, die auf die „Screamer“ angewiesen sind, arbeiten in deutlich friedlicherer Umgebung. Auf einem weitläufigen Campus zwischen raschelnden Kiefern wirkt der US-Hauptsitz von Google DeepMind eher wie ein Zirkuszelt als wie ein Forschungslabor. Mitarbeiter gleiten in fahrerlosen Waymo-Taxis an, angetrieben von Googles KI. Andere kommen auf gelben, roten, blauen und grünen Fahrrädern mit Google-Logo angeradelt.
Google DeepMind gehört zur Spitzengruppe der US-KI-Unternehmen, die sich im Rennen um Platz eins gegenseitig überbieten – ein Rennen, das dieses Jahr eine neue, aggressive Intensität erreicht hat. 2024 war das Jahr der........





















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