Weltherrschaft | Friedenspreis an Karl Schlögel: Deutschland versteht die Welt nicht mehr
Er sei ein „hochklassiger Muskelprotz für das Big Business“ gewesen, „für die Wall Street und die Banker, (…) ein Gangster, ein Verbrecher für den Kapitalismus“. Harte Worte, und es geht weiter: „Man hat unseren Jungs, die in den Tod geschickt wurden, schöne Ideale vorgegaukelt (…). Niemand hat ihnen gesagt, dass es in Wirklichkeit um Dollars und Cents ging.“
Ähnliches könnte wohl jeder Soldat über fast jeden Krieg sagen. Aber Smedley Butler, aus dessen 1935 erschienenem Manifest War is a Racket diese Sätze stammen, war nicht irgendein Soldat. Und die Kriege, in denen er kämpfte, sind zwar vergessen, waren aber trotzdem nicht irgendwelche Kriege. Butler ist bis heute der einzige Soldat der US-Streitkräfte, der zweimal mit der höchsten Auszeichnung dekoriert wurde, der Medal of Honor. Die Einsätze, in denen er sich diese verdiente, markieren den Anfang einer Ära und eines Systems, das bis heute so fest im Sattel sitzt, dass es viele gar nicht mehr als solches erkennen: des Imperialismus à la USA.
Als Butler seine Orden verdiente, war das in einer Hinsicht ähnlich: Die Operationen, in denen sich der Marine-Infantrist auszeichnete – die Besetzung des mexikanischen Hafens Veracruz 1914 und der Überfall auf Haiti 1915, dem zwanzig brutale Besatzungsjahre folgen –, zeigten zwar aller Welt, dass hier eine neue Macht aufstieg, die nicht zögerte, ihre Macht- und Wirtschaftsinteressen mit Kanonenbooten durchzusetzen. Doch die alten Imperien Europas, die sich gerade zu zerfleischen begonnen hatten, brauchten noch Jahre, um zu verstehen, dass sie ausgespielt hatten, die Besiegten wie die Sieger.
Und heute? Ist dieser „Imperialismus“ allenfalls Schnee von vorgestern. Das behauptet zumindest die amerikanische Historikerin Anne Applebaum. In ihrem Buch Die Achse der Autokraten wischt sie nicht nur über hundert Jahre revolutionärer, linker oder auch nur humanistisch-liberaler Imperialismuskritik vom Tisch, sondern gleich den ganzen Begriff.
So etwas wie eine systematische, herrschafts- und nötigenfalls auch gewaltförmige Asymmetrie im Weltsystem gibt es ihr zufolge gar nicht, nur einen Kampf von Gut gegen Böse. Andere prominente Stimmen kennen zwar noch den Begriff, entkleiden ihn aber jeder systemischen Ebene: „Imperialismus“ ist dann nur noch eine negative Charaktereigenschaft von politischen Führern oder gleich ganzen „Kulturen“.
Man ahnt, wer gemeint ist: „Die Russen sind Barbaren, sie sind gekommen, um unsere Geschichte, unsere Kultur, unsere Bildung zu vernichten“, charakterisiert der ukrainische Dichter Serhij Zhadan in Himmel über Charkiw die „imperiale Kultur“ Russlands. Der Historiker Karl Schlögel nimmt jüngst eher den Präsidenten persönlich ins Visier: „Getrieben und überwältigt von Hass“ sei dieser, „gepeinigt von einer Kränkung und einem Komplex“, der aus ihm herausbreche: „Die unbewältigte Geschichte des untergegangenen Imperiums, dessen (…) Wiedererrichtung als Drittes Imperium er (...) betreibt“ – so schreibt er in einem Sammelband, der Wladimir Putin in eine Reihe von „Tyrannen“ von Nero über Ivan den Schrecklichen bis Augusto Pinochet stellt.
Von Serhij Zhadan bis Karl Schlögel: Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geht an Kriegsideologen
Serhij Zhadan, Anne Applebaum und Karl Schlögel haben nun eins gemeinsam: Sie sind in dieser Reihenfolge Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in den Jahren 2022 bis 2025. Bemerkenswert ist daran nicht nur, dass diese Auszeichnung, die früher gern Persönlichkeiten verliehen wurde, die für Versöhnung, Dialog und Deeskalation standen, zum dritten Mal in Folge an Verfechter einer maximalistischen Kriegsagenda geht. Nimmt man diesen Preis als das, was er sein will – das jährliche Statement der deutschen Geisteswelt zur politischen Lage des Planeten –, stimmt es bedenklich, wie naiv wir Dichter und Denker in eine Zukunft zu stolpern scheinen, die womöglich von tiefgreifenden Umbrüchen im Weltsystem geprägt sein wird.
Schon deshalb ist es geboten, den Imperialismus als Systembegriff wieder freizulegen. Das ist aber kaum möglich, ohne die führende Macht zu benennen, die das entsprechende Instrumentarium geschaffen hat. Diese Macht sind – allen möglichen Verschiebungen in näherer Zukunft zum........





















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