Im Gespräch | Schriftstellerin Beatriz Serrano: „Die Mittelschicht ist ein moralisches Prekariat“
Beatriz Serrano schreibt seit Jahren im führenden spanischen Printmedium El Pais über Themen, die ihr nahestehen: die Filmbranche, das spanische Unwetter Dana, das ihre Heimatstadt Valencia verwüstete, und über einen traumatischen Arbeitsalltag. Serranos erster Roman Geht so fand in Spanien vor allem bei einer Generation Anklang, die in gut bezahlten Bullshit-Jobs ihre Lebenszeit absitzt.
der Freitag: Frau Serrano, wie steht es aus Ihrer Sicht um die sogenannte Zukunft der Arbeit?
Beatriz Serrano: Wir versuchen, in Europa die neoliberale Arbeitskultur der US-Amerikaner mitsamt dem vermeintlichen „Purpose“, also einer Identität durch Arbeit, in Windeseile zu übernehmen. Dadurch sind die Grenzen zwischen Beschäftigung und Privatleben komplett verschwommen. Das Kollegium soll als Familie gelten, die Die Zukunft der Arbeit sollte sich, zumindest in Spanien, aber eher um die Höhe der Gehälter drehen, damit man die Miete und sonstige Lebenskosten überhaupt noch zahlen kann.
Heutzutage müssen viele Menschen zwei oder mehr Jobs nachgehen, um über die Runden zu kommen. Das ist kein Purpose, sondern eine Verurteilung. Das Streben nach Wohlstand, dem wir seit Ende der Franco-Zeit sehr nahe gekommen sind, wird dadurch mit Füßen getreten.
Marisa, die Protagonistin Ihres Romans, verdient als Kreative in einer Madrider Marketingagentur ganz gut. Warum ist sie trotzdem unzufrieden?
Ich habe die Geschichte bewusst nicht im Prekariat angesiedelt, weil ich keine soziale Diskussion entfachen, sondern eher auf ein moralisches Prekariat hindeuten wollte. Marisa ist unglücklich, weil sie zugelassen hat, dass die Arbeit, die ihr Leben ausfüllen sollte, sie stattdessen von innen aushöhlt. Gleichzeitig erlaubt ihre Mittelklasse-Mentalität es ihr nicht, aus dieser misslichen Lage auszubrechen. Stattdessen setzt sie sich unter Antidepressiva und Beruhigungsmittel und kauft in der Gourmet-Ecke des Carrefour ein, um ihre existenzielle Kapitulation zu verdrängen.
Die Werbebranche, die Sie im Buch beschreiben, scheint besonders feindselig zu sein. Wie ist die Arbeitswelt an einen Punkt gelangt, in dem man sich mit Medikamenten und Verzweiflung einem Überlebenskampf stellen muss?
Wir haben uns an ein hohes Maß tagtäglicher Mikroaggressionen........





















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