Amt | Über das Leben am Rande der Gesellschaft: Sandra Weihs Roman „Bemühungspflicht“
Schon die ersten beiden Seiten von Sandra Weihs’ Bemühungspflicht treffen wie ein Schlag in die Magengrube. Der Text gräbt sich von dort aus immer tiefer in die Eingeweide hinein, lässt jedes Wort rumoren und löst schließlich Übelkeit aus. Übel ist auch das Geflecht aus Pflichten, Pfadabhängigkeit und menschlicher Not, das Sandra Weihs so sensorisch beschreibt, dass es körperlich spürbar wird. Da ist etwa der Moment, in dem Manfred Gruber der Orangensaft der Supermarktsaftpresse über die Finger rinnt, den er sich dann doch nicht leisten kann und beschämt zurücklassen muss.
Wenig später die Butter, die in seiner Jackentasche schmilzt, weil er ja eigentlich nur schnell das Allernötigste kaufen wollte, nun aber eine Odyssee durch seine mittelgroße österreichische Heimatstadt über Bank und Behörde auf sich nehmen muss, um das Rätsel um sein leeres Konto zu lösen. Und obendrauf der Regen, der kalt durch das beginnende Loch in seinen Schuh dringt. Demütigung, die beim Gang zum AMS (Arbeitsmarktservice) bei jedem Schritt an ihm klebt. Dort angekommen „ist die Schlange lang. Ein bisschen kommt es dir vor, als rollten ein paar Orangen über eine Schneise direkt an ein in Kunststoff gefasstes Messer.“
Es zeugt nicht nur vom literarischen Können, das die österreichische Autorin mit ihrem dritten Roman unter Beweis stellt. Sie schöpft gleichermaßen mit vollen Händen aus ihrem Erfahrungsschatz als praktisch tätige Sozialarbeiterin. Ein großes Glück für die Literatur. Eine Autorin, die ihre Figuren nicht nur aus einer........
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