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Verharmlost Juli Zeh die AfD? Wer so denkt, erkennt die wahre Gefahr nicht

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Was hat Juli Zeh eigentlich genau gesagt? Sie wurde in einem Interview mit der taz zu den 54 Prozent befragt, die in Barnewitz bei der Bundestagswahl AfD gewählt haben – das ist jenes Dorf in Brandenburg, in dem Zeh wohnt. Und Juli Zeh antwortete: „Die Menschen hier finden vor allem die anderen Parteien schlecht. Ich glaube, wir haben momentan niemanden im Dorf, der mit seinen Meinungen außerhalb der Verfassung stünde.“ Und: „Die überwiegende Mehrheit ist nicht der Meinung, man müsste alle Ausländer remigrieren oder noch Schlimmeres.“ Auch legte sie dar, dass hinter der AfD-Wahl eine Menge Frust stehe.

Das regt die Leute auf. Also, zumindest regt es Ilko-Sascha Kowalczuk auf. Auf Facebook fragt der Historiker, warum „diese Frau“ eigentlich als Erklärerin gilt, nur weil sie in einem Dorf lebt, und postet dann hinterher, die Junge Freiheit habe sie als „ausgesprochene Kennerin der ostdeutschen Seele“ bezeichnet, um zu schließen: Zeh habe es „verdient, von diesem Blatt angehimmelt zu werden“.

Was hätte Zeh denn stattdessen sagen sollen, das die Situation besser beschreiben würde? In vielen der Kommentare zu ihrem Interview wird wiederholt, AfD-Wähler seien rassistisch, antisemitisch, ausländerfeindlich, antimodern. Als wäre das etwas Neues in Deutschland, als wäre kein Wähler der CDU oder der SPD oder auch der Linken/PdS je zuvor rassistisch oder antisemitisch oder antimodern gewesen. Als würde das irgendetwas erklären. Als würde das irgendetwas einfacher machen. Als würde uns diese Gleichung irgendwo anders hinführen als in die Selbstbestätigung: AfD = rechts. Rechts = AfD. Das Wiederholen der bekannten Variabel hilft uns nicht weiter, es ist die unbekannte Variabel, die interessiert. Was ist Y? Wovon ist der Rechtsruck abhängig, was also kann verändert werden, um ihn zu beeinflussen?

Juli Zeh denkt darüber nach. Sie sieht Frust im Lebensalltag der Menschen, und sie sieht, dass die Parteien diesen Frust nicht schmälern konnten. Sie sieht, dass viele dieser Menschen jetzt AfD wählen.

Die sozialen Medien platzen vor wütenden Kommentaren über diese Beobachtung, und ich frage mich: Was genau ist es, das die Menschen daran so kirre macht? Ist es, dass Juli Zeh feststellt, bei 40 Prozent sei kaum jeder AfD-Wähler ein überzeugter Rechtsradikaler? Oder dass sie die bisherigen Instrumente zur Kleinhaltung der AfD als unwirksam beschreibt?

Das Interview in der taz kommt zu einer Zeit, in der die Frage des Umgangs mit der........

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