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Super-GAU oder russisch-ukrainische Kooperation: Was wird aus dem AKW Saporischschja?

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01.12.2025

Am Abend des 3. März 2022 greifen russische Soldaten das Kernkraftwerk Saporischschja an. Panzer und Militärfahrzeuge rollen in die angrenzende Stadt Enerhodar und stoßen wenig später bis auf das Gelände der Anlage vor. Bis in die frühen Morgenstunden leistet eine kleine Gruppe ukrainischer Soldaten Widerstand.

„Hört sofort auf zu schießen! Ihr gefährdet die Sicherheit der ganzen Welt!“, dröhnt es aus den Lautsprechern des Kraftwerks, aber verhallt im Gefecht, wie der ukrainisch-amerikanische Historiker Serhii Plokhy in seinem Buch Der Angriff. Russlands Krieg gegen die Ukraine und seine Folgen für die Welt beschreibt. Teile der Anlage werden beschädigt, ein Kraftwerksgebäude fängt Feuer, aber die Katastrophe bleibt aus.

Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass ein voll funktionsfähiges Kernkraftwerk militärisch besetzt wird. Der Krieg, so Plokhy, stelle damit schon seit seinem Beginn eine nukleare Bedrohung für die Welt dar.

Auch der US-Friedensplan widmet einen seiner 28 Punkte dem Kraftwerk. Unter der Leitung der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) soll es wieder in Betrieb genommen, der erzeugte Strom gleichermaßen zwischen dem ukrainischen und dem russischen Netz aufgeteilt werden.

„Grundsätzlich begrüße ich, dass Saporischschja in Friedensverhandlungen eine Rolle spielt“, sagt Oleh Korikov, Leiter der ukrainischen Atomaufsichtsbehörde. Ein völkerrechtswidrig besetztes Kraftwerk aufzuteilen, dafür gäbe es allerdings keine rechtliche Grundlage.

Korikov betont: Anstatt über die Verteilung von Strom zu diskutieren, müsse zuerst die nukleare Sicherheit gewährleistet werden. Diese sei seit der Besetzung nicht mehr garantiert, eine Reaktivierung des Kraftwerks sei derzeit deshalb undenkbar.

Saporischschja ist mit seinen sechs Reaktoren und einer installierten Leistung von fast sechs Gigawatt das größte Kernkraftwerk Europas. Seit September 2022 produziert es keinen Strom mehr.

Alle sechs Reaktoren befinden sich im sogenannten Cold Shutdown: Die Kettenreaktion ist gestoppt, doch der Zerfall radioaktiver Spaltprodukte wie Cäsium 137 oder Strontium 90 erzeugt weiterhin Restwärme. Diese nehme mit der Zeit exponentiell ab, erklärtClemens Walther, Leiter des Instituts für Radioökologie und Strahlenschutz an der Leibniz Universität Hannover. Schlimmstenfalls könnte bei einem Ausfall des Kühlsystemsdie verbleibende Restwärmeaber durchaus schwere Beschädigungen der Brennelemente auslösen.“

Um genau das zu verhindern, ist das Kraftwerk nach wie vor auf........

© der Freitag