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Indien | Abfall-Hauptstadt der Welt: Wie die Menschen im indischen Panipat an Nylon ersticken

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26.10.2025

Die Luft in den Recycling-Fabriken ist voller Fusseln, die im Licht schimmern, bevor sie sich wie ein Film aus dreckigem Schnee überall absetzen. An ihrem Arbeitsplatz schneidet die 27-jährige Neerma Devi Ärmel auseinander und stopft die Fetzen von Altkleidern in eine dröhnend laute Maschine. Jeder Schnitt lässt Wolken aus Stoffresten im Raum aufsteigen. Die junge Frau hat sich das Gesicht mit Tüchern umwickelt, um das Einatmen der Fasern zu verhindern. Aber das helfe wenig, meint sie. Am Ende der Schicht schmerze ihr Brustkorb, manchmal könne sie nachts kaum atmen.

Diese erstickende Welt ist das Rückgrat eines weltweiten Geschäfts. Die nordindische Stadt Panipat gilt als „Abfall-Hauptstadt der Welt“. Ausrangierte Kleidung aus Europa, Nordamerika und Ostasien wird hier von Tausenden Arbeiterinnen und Arbeitern zerkleinert, wieder zu Garn versponnen, zu Teppichen, Bettlaken und Kissen verarbeitet – und geht zurück in die Welt.

Angelockt von sicherer Fabrikarbeit verließ Neerma Devi vor sechs Jahren das 300 Meilen entfernte Hardoi und kam mit ihrem Mann nach Panipat. Heute arbeitet sie sechs Tage pro Woche. Oft bringt sie ihre beiden kleinen Söhne mit in die Fabrik, weil der Eigentümer keine Kinderbetreuung anbietet. Devi hustet noch, wenn ihr Arbeitstag lange vorbei ist. Der Arzt sage ihr, das käme vom Staub, den sie jeden Tag einatme, erzählt sie. „Er meint auch, ich müsse diese Arbeit aufgeben, aber das kann ich mir nicht leisten.“

Panipat recycelt pro Jahr mehr als eine Million Tonnen Textilabfall, der andernfalls weltweit auf Müll-Deponien landen würde. Wenn die Lieferungen eintreffen, wird die Kleidung zunächst sortiert. Was noch tragbar ist, kommt auf die lokalen Märkte, während der Großteil geschreddert und wieder zu Garn versponnen wird. Man bleicht die Fasern, färbt und verarbeitet sie zu Heimtextilien, die weltweit Abnehmer finden. „Alle Arten von Materialien – von Polyesterhosen bis hin zu Baumwollhemden – werden zu ‚Shoddy-Garn‘ zerkleinert“, erklärt Ina Bharguna, Programmmanagerin bei Reverse Resources mit Sitz in Estland, einem Unternehmen, das an Textilabfällen bestens verdient. „Was wir bekommen, ist nie frei von Mikroplastik.“

Internationale........

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