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Thomas Kemmerich im Interview: Wir leben in einer Demokratie mit autoritären Zügen

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Für wenige Wochen war Thomas L. Kemmerich Ministerpräsident von Thüringen – gewählt mit Stimmen der AfD, gestürzt durch Empörung im ganzen Land. Nun wagt der frühere FDP-Politiker den Neustart. An seiner Seite: Frauke Petry, einst AfD-Vorsitzende und nun Mitbegründerin des Projekts Team Freiheit. Eine Bewegung, die keine Partei sein will und doch politische Macht anstrebt. Sie verspricht Selbstbestimmung, weniger Staat, mehr Verantwortung und lehnt die sogenannte Brandmauer nach rechts ab.

Aber wie frei ist eine Bewegung, die Wahlen gewinnen will, ohne sich selbst als Partei zu begreifen? Wie glaubwürdig ist ihr Freiheitsversprechen, und was bleibt davon, wenn das Projekt scheitert? Ein Gespräch über Demokratie, Abgrenzung und den Versuch, Politik neu zu erfinden.

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Herr Kemmerich, leben wir Ihrer Ansicht nach in einer Demokratie?

Demokratie ist formal die Herrschaft der Mehrheit. Faktisch haben sich aber Parteien in unseren Parlamenten dazu entschieden, einen erheblichen Teil des Wählerwillens auszublenden. Zudem haben sie sich mit sogenannten NGOs, den öffentlich-rechtlichen Anstalten und Teilen weiterer Medien einen de facto undemokratischen Hebel geschaffen, der uns permanent darüber belehrt, wie wir zu denken, zu leben und zu sprechen haben.

Somit ein demokratisches System mit autoritären Strukturen?

So könnte man es formulieren. Genau das ist der Kulturkampf, den wir führen – autokratische gegen nichtautokratische Methoden. Wir erleben eine Überregulierung, Pranger-Portale, Hinweisgeberschutzgesetze. Das alles sind Machtinstrumente einer selbsternannten politischen Elite, die Bürger als Gegner betrachten, obwohl er als Wähler der eigentliche Souverän ist. Der daraus resultierende Frust entlädt sich an der Wahlurne, indem immer mehr Menschen die AfD wählen.

Und diesen Platz will das Team Freiheit der AfD nun streitig machen, als Anti-Parteien-Frust-Partei?

Wir unterbreiten ein freiheitliches Angebot an alle Bürger, die ein selbstbestimmtes Leben führen möchten. Wir wollen wieder Hoffnung wachsen lassen.

Gerade sprachen Sie noch von einer wachsenden Frustration.

Jede Krise ist auch eine Chance, es zukünftig besser zu machen. Als Unternehmer sage ich den zu Recht frustrierten Bürgern: Es gibt Hoffnung für dieses Land, weil Freiheit und Marktwirtschaft gute Problemlösungen ermöglichen.

Wenn Ihre Partei keine Partei im klassischen Sinn ist, sind Sie dann überhaupt Politiker?

Das ist so ein bisschen Bullshit-Bingo mit Begriffen.

Nein, ganz ernsthaft gefragt: Wenn Sie kein Parteimitglied sind, was sind Sie dann?

Ich bin Sprecher des Team Freiheit, und ich bin seit Jahrzehnten Unternehmer. Das ist doch ziemlich gut, oder?

Aber wenn Sie selbst kein Parteimitglied sind, wie verbindlich ist Ihr Engagement dann? Sie stehen öffentlich für die Bewegung, wollen gestalten, aber gehören ihr formal nicht an. Das........

© Berliner Zeitung