9. November 1938: Wie geht Erinnern in Zeiten des Krieges?
Der 9. November ist für Deutschland nicht nur wegen des Mauerfalls ein Gedenktag, sondern auch wegen der Erinnerung an den 9. November 1938. An jenem Tag warfen deutsche Bürger, teilweise in Uniform, Steine in die Schaufenster jüdischer Geschäfte, beschmierten Hauswände mit Hassparolen, steckten Synagogen in Brand. Die Reichspogromnacht war eine weitere Eskalation auf dem Weg zur Vernichtung der europäischen Juden, ein Menschheitsverbrechen, ersonnen in Deutschland, dem Land der Dichter und Denker. Noch kurz zuvor galt Deutschland als eines der am wenigsten antisemitischen Länder in Europa. Das Judentum war Teil der deutschen DNA geworden. Nur innerhalb weniger Jahre hatte sich die Lage völlig verändert. Es ist gut und wichtig, dass die Erinnerung an diesen Bruch weiterlebt. Eigentlich ist es ein Wunder, dass es nach dem bestialischen Gebaren so vieler Deutscher heute wieder jüdisches Leben in Deutschland gibt.
Doch das Gedenken unterliegt einer Transformation: Weil es nicht mehr viele Überlebende gibt, droht das Geschehen von 1938 in einem Nebel zu verschwinden. Antisemitische Muster steigen plötzlich wieder auf, wie Ungeheuer aus schlammigen Mooren. Der........
© Berliner Zeitung
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