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Perfekt ist mir suspekt

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13.10.2025

Tilly Norwood ist das, was ich nicht bin: perfekt. Die KI-generierte Schauspielerin hat keine Falten im Gesicht, keine großen Poren, ist nie müde und hat immer eine angenehme Stimme. Alles glatt, aalglatt. Und das irritiert mich maßlos. Ich ertappe mich dabei, nicht über „Fake“ nachzudenken, sondern über die Abwesenheit von Unvollkommenheit. Als würde man Theater spielen, ohne dass jemand stolpert, improvisiert oder lacht, weil eine Requisite zur falschen Zeit auf die Bühne kommt oder das Stichwort überhört wird. Klingt für Produzent:innen effizient. Fühlt sich aber seltsam leer an, zumindest für mich.

Das Problem dabei ist nicht die neue Technik. Sie kann Hilfsmittel, Pinsel, Bühne sein. Worüber wir reden müssen, ist Governance: Rechte, Verantwortung, Vergütung. Ein Mini-Beispiel: Sieht Tilly einer realen Schauspielerin zum Verwechseln ähnlich – wer profitiert, wenn die Kampagne millionenfach läuft? Zählt die Ähnlichkeit als „Zufall“, oder entsteht ein Anspruch auf Beteiligung? Und wenn ein Stil, ein Trend als Trainingsmaterial dient, wo beginnt das Mitverdienen – und wer kontrolliert Wiederverwendungen? Die 20-jährige Musikerin Stella Hennen aus Nashville sieht in Tilly ihre Doppelgängerin........

© Wiener Zeitung