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Zwischen Selfie und Empathie: Reiz an Katastrophentourismus?

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19.07.2025

Hans war 2018 oder 2019 in Tschernobyl. Genau kann er das nicht mehr sagen. Mit fünf, sechs Freunden. Sie waren alle Studierende: Wenig Kohle, viel Abenteuerlust. “Der Flug nach Kiew hat 20 Euro gekostet”, sagt Hans. „Und wir wollten halt irgendwo billig saufen.” Dann die Idee: „Wenn wir schon da sind, können wir auch einen Tagesausflug nach Tschernobyl machen.”

Sie stehen vor dem Eingang des Katastrophengebiets: 80 Euro-Ticket gekauft, durch die Passkontrolle. Dann weiter im Minivan, in dem eine DVD läuft: „Da hat’s nur Dokus gezeigt von Tschernobyl, aber keine aufarbeitenden Dokus, sondern so strange. Die wollten nur zeigen, wie arg der Ort ist.“

Jede:r kriegt einen Geigerzähler, um die radioaktiven Strahlen beim Besuch mitzumessen. Beim ersten Halt schlägt er aus. „Der hat voll durchgedreht, weil die Radioaktivität so hoch war. Dann haben wir ihn weniger sensibel eingestellt.“ Die Gruppe steigt aus. Erst ein kleines Dorf, dann der Blick auf Reaktorblock 4. Der Beton-Sarg, der alles zudecken soll. Weiter nach Pripjat.

Sie klettern durch die Geisterstadt, durch einen alten Freizeitpark, das Riesenrad rostet, Sträucher wachsen durch das Karussell. In einer Ruine steht ein Klavier. Der Geigerzähler piepst. Hans schaut sich um: „Das hat schon irgendwas.“

Am Ende gibt’s eine Urkunde. „Da haben sie den Geigerzähler abgelesen, wie viel Radioaktivität wir aufgenommen haben. Das wird in Mikro-Seged angegeben oder so. Auf der Urkunde steht: Sie haben an Ihrem Besuch in Tschernobyl so und so viele Mikro-Seged aufgenommen.“

Hans wirkt nicht schadenfroh. Eher fasziniert. Und ein bisschen irritiert. „Es war spannend zu sehen, wie sich die Natur das alles wieder........

© Wiener Zeitung