„Alles mit Hakenkreuz drauf ist begehrt“
Rechnitz im Burgenland, Frühjahr 2025: Die sterblichen Überreste von 180 ermordeten jüdischen Zwangsarbeitern bleiben ebenso verschollen wie die Patronenhülsen, die das Nazi-Hinrichtungskommando hinterlassen haben muss. 300 Stück Metall sollten an der Stelle liegen, an der das Verbrechen am 24. und 25. März 1945 begangen wurde, ist das Bundesdenkmalamt überzeugt. Die professionellen Archäologen der Behörde begannen 2019 nach einem Hinweis aus der Bevölkerung in einem Waldstück südlich von Rechnitz zu graben – vergeblich. Die Exekutierten wurden zum wiederholten Mal nicht gefunden. Die Suche nach den sterblichen Überresten liegt jetzt auf Eis, doch die Sache lastet weiterhin schwer auf der Gemeinde, wo man endlich Gewissheit zu den genauen Umständen der Tat haben will und der historischen Bürde überdrüssig ist.
Die Patronenhülsen, die ein Hinweis auf den Ort des Verbrechens wären, sind ein wichtiger Teil einer Indizienkette. Sie wurden jedoch von privaten Metallsuchern entfernt, ist man beim Bundesdenkmalamt überzeugt. Die Gegend sei bei Menschen, die, mit Suchgeräten ausgerüstet, nach Kriegsrelikten stöbern, sehr beliebt, weiß man hier. Sondengänger oder „Sondler“ werden sie genannt, und professionelle Archäologen sind auf diese Spezies Mensch nicht gut zu sprechen.
Rechnitz ist für private Sucher ein lohnendes Pflaster. Hier verliefen 1945 die Linien A und B der Südostwall-Panzergräben, hier sollte die Rote Armee in letzter Sekunde aufgehalten werden und hier leistete die SS tatsächlich hartnäckigen Widerstand. Also ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man im Erdreich Granaten, Panzerfäuste und anderes Kriegsgerät findet. Hochgefährlich, weil hochexplosiv. Aber auch eine simple Patronenhülse ist für einen Militaria-Sammler oder -Händler ein begehrter Fund. Wird das Schwarzpulver entfernt, dient sie als Schmuckstück, das um den Hals getragen wird und für das 15 Euro hingeblättert werden.
Bei den Metallsuchern in Rechnitz handelt es sich um Waffennarren – „Nerds“ oder, freundlich formuliert, Experten. Sie könnten theoretisch mithelfen, das jüdische Massengrab zu finden – in diesem Fall erschweren sie jedoch die Suche der professionellen Archäolog:innen.
Sind die Hobbysucher tatsächlich Fachleute, können sie jeden Munitionstyp des Zweiten Weltkriegs sofort mit Herkunftsort und Produktionsdatum einordnen, wissen beim kleinsten Fragment, um welche Waffe, welche Bombe, welches Flugzeugteil es sich handelt. In vielen Fällen gehören die Militaria-Sucher allerdings zur Gruppe der Rechtsextremen mit einer fetischartigen Vorliebe für Waffen. Menschen, die das Dritte Reich verherrlichen und damals gern selbst als „wahre Deutsche“ mitgekämpft hätten. 30.000 bis 40.000 Sondengänger gibt es in Österreich, schätzen Personen, die die Szene gut kennen, rund die Hälfte von ihnen dürfte allein hinter Militaria aus dem Zweiten Weltkrieg her sein.
„Es ist ein rein männliches Phänomen“, weiß Robert Mann, Inhaber des Geschäfts Viennadetectors, das Suchgeräte vertreibt. Er betont gegenüber der WZ, selbst nichts mit Militaria anfangen zu können. Er sei ausschließlich an Gegenständen aus anderen Bereichen interessiert. Die Militaria-Sucher, so Mann, recherchieren in speziellen Büchern, verfasst von Lokalhistoriker:innen, nach früheren Frontverläufen, nach den Stellen, wo Wehrmacht, SS und Volkssturm der Roten Armee den letzten Widerstand entgegengesetzt haben. Zusätzlich suchen sie im Internet nach für alle frei verfügbaren Laserscans, auf denen jede kleine Bodenunebenheit, jeder Schützengraben aus dem Zweiten Weltkrieg, jede Maschinengewehr-Stellung sichtbar ist.
Wo ein Schützengraben war, wird der Spaten angesetzt, denn dort ist die Chance groß, auf Waffen, Munition, Helme oder die Überreste Gefallener zu stoßen. Ein lohnendes Ziel seien außerdem ehemals „kriegswichtige Einrichtungen“, also Orte, wo in der NS-Zeit Fabriken oder........
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