Deutschunterricht – und was noch? Bildung unter Blau-Schwarz
Der Nikolaus lacht auf drei strohblonde, strahlende Kinder herab. Eins davon, gekleidet in Hemd und Lederhose, streckt die Hand nach ihm aus – die Fingerkuppen stehen etwas merkwürdig ab, typisch für KI-generierte Bilder. Seine eigene verzerrte Hand hat der Nikolaus um eine ebenfalls blonde Frau im grünen Dirndl gelegt. „Leuchtende Kinderaugen statt verblendete Pädagoginnen“ steht in dicken Lettern auf dem Bild. So sollte also Brauchtum im Klassenzimmer aussehen – jedenfalls, wenn es um die FPÖ Burgenland geht, die dieses und weitere Bilder zum Thema Brauchtum in Schulen vergangenen Dezember auf ihren Social-Media-Kanälen verbreitet hat.
Gegen solche „verblendete Pädagoginnen“ will die FPÖ künftig als Regierungspartei durchgreifen – wenn sie sich an ihre Vorhaben aus dem Wahlprogramm hält, mit dem sie zur Nationalratswahl vergangenen September angetreten ist. Darin wurde unter anderem eine Meldestelle angekündigt, bei der Eltern, aber auch Schüler:innen ideologisierende Lehrkräfte melden könnten, die „notfalls Konsequenzen“ zu erwarten haben. Dass die ÖVP diesem Vorhaben zustimmen wird, ist jedoch unwahrscheinlich: Denn bereits 2017 wurde eine solche Meldestelle in Oberösterreich von FPÖ-Landesvize Manfred Haimbuchner eingerichtet. Von der christlich-sozial gefärbten Lehrer:innengewerkschaft und der ÖVP unter Landeshauptmann Thomas Stelzer wurde sie stark kritisiert und kurz nach der Einführung wieder abgeschafft. Auch jetzt erntet die geplante Meldestelle aus dem Wahlprogramm massive Kritik aus der Bildungspraxis, Lehrkräfte befürchten öffentliche Denunziation. Ob umsetzbar oder nicht, die Meldestelle steht für eine der Hauptforderungen der FPÖ: ideologiefreie Bildung für sämtliche Einrichtungen, von Kindergarten bis Hochschule. Aber was versteht die FPÖ unter Ideologien?
Laut Wahlprogramm richte sich die Meldestelle gegen politische Beeinflussung, die vor allem in Richtung des linken Mainstream gehe. Denn Lehrkräfte würden vermehrt Schüler:innen mit linker Politik beeinflussen, auch Unis müssten „aus den Fängen dieses Linksextremismus“ befreit werden. Als „Ideologie“ wird so auch zum Beispiel Bildung zum Thema diverse Sexualität und Geschlecht bezeichnet, die zu „Genderwahnsinn und Wokismus“ führe. Mit dem Schlagwort „Frühsexualisierung“ wird Bildungseinrichtungen und Lehrbüchern, die über diverse Geschlechtsidentitäten aufklären, „Transgender-Propaganda“ vorgeworfen. Sicherheit und Schutz der Kinder werden hier als Motive vorgeschoben – und zwar vor Verunsicherung. Denn laut FPÖ-Programm gibt es lediglich zwei Geschlechter. Die ÖVP hingegen lehnt laut Wahlprogramm die Bevormundung in Geschlechter- und Identitätsfragen ab. Gleichzeitig dürfe Gender-Ideologie nicht „zum Maß aller Dinge“ werden, weil das Familien schwächen würde. Außerdem dürfe Gendern nicht prüfungsrelevant oder in wissenschaftlichen Arbeiten verpflichtet sein – Reformen zugunsten gendersensibler Sprache sind also von Blau-Schwarz nicht zu erwarten.
Allem Anschein nach sollte, wenn es nach der FPÖ geht, die Entpolitisierung von Schulen jedoch nicht für rechte Politik gelten; das zeigte die Reaktion der FPÖ auf einen Vorfall nur wenige Tage vor der Nationalratswahl. An einer niederösterreichischen Schule wurden zwei Schüler von drei Lehrkräften aufgefordert, selbstgebastelte blaue Trikots mit der Aufschrift „Kickl auf die 1“ auszuziehen. Die FPÖ Niederösterreich reagierte prompt: „Es muss endlich Schluss sein mit der Politisierung in Schulen. Unsere Kinder dürfen nicht von Wokeness-Lehrern genötigt werden!“, hieß es in einem Facebook-Post zur Causa.
Hinter den Forderungen nach Brauchtum und Tradition steht außerdem auch im Bildungsbereich das Kernthema der FPÖ: Migration. Dieses prägte die FPÖ-Pressekonferenz zum Thema Bildung im Juni letzten Jahres: So bekam FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer mehr Redezeit als FPÖ-Bildungssprecher Hermann Brückl. Davon verwendete Amesbauer mehr als die Hälfte für allgemeine Asylpolitik, unabhängig von Bildungsthemen. Der Fokus auf Migration spiegelt sich im Wahlprogramm wider – auch wenn es nicht bei allen Punkten auf den ersten Blick ersichtlich ist. Hinter der........
© Wiener Zeitung
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