Die Fußballpräsidentin, die mit Hooligans verhandelt
Das Oberhaupt eines Fußballklubs stellt man sich anders vor als Brigitte Annerl, 55 Jahre alt, akkurate Pagenfrisur, strahlend weißes Lächeln, verbindende Art. Eher volkstümlich! Polternd! Einen wie Hannes Kartnig, den legendären Sturm-Graz-Präsidenten, der einst im Rolls Royce vorfuhr, Goldketten trug und in seinem Wohnzimmer einen Hai hielt. Kartnig hat sich längst zurückgezogen. Der Fußball aber wird immer noch von Männern regiert. Ex-ORF-Chef Alexander Wrabetz ist Rapid-Präsident. Wien-Holding-CEO Kurt Gollowitzer führt die Austria. Und im ÖFB? Da übernimmt bald Ex-Vizekanzler Josef Pröll.
Brigitte Annerl, Unternehmerin und Selfmade-Millionärin, ist eine der wenigen Frauen in der Männerdomäne Profifußball. Mit Kapseln, die schnellere und bessere Spermien versprechen, wurde die Wienerin reich. Seit 2017 steht sie dem Bundesliga-Klub TSV Hartberg vor. Während sich viele Herren – egal ob bei Rapid, Austria oder im ÖFB – ständig Machtkämpfe liefern, tanzt Annerl mit ihren Spielern auf dem Feld, trommelt mit Fans im Block oder verteilt 100-Euro-Scheine im Publikum. Annerl hat eine neue Führungskultur etabliert. Als zuletzt wütende Rapid-Fans das Hartberger Stadion kurz und klein schlugen, Klotüren und Waschbecken auf Polizisten warfen, schritt Annerl couragiert ein. Sie stellte sich in die Kampfzone, sprach mit den Randalierern und entschärfte die Lage. Was kann das Fußballgeschäft von dieser Frau lernen?
Mitte März haben Rapid-Hooligans im Hartberger Stadion Polizisten mit Klotüren und Waschbecken beworfen. Sie haben die Randalierer gebändigt. Wie ist Ihnen das gelungen?
Ich bin einfach zu den Fans gelaufen. Dort waren Emotionen im Spiel. Ein paar Rapidler haben sich bei der Einlasskontrolle von der Polizei nicht entsprechend behandelt gefühlt. Es kam zu Tumulten – und die Polizei hat Pfefferspray eingesetzt. Da standen auch ältere Damen, die etwas davon abbekamen, aber nichts dafürkonnten.
Haben Sie das Gespräch mit den Randalierern gesucht?
Ja, ich habe verhandelt. Mit den Randalierern. Und mit der Polizei. Die Fans wollten, dass die Polizei zurückweicht. Ich habe gesagt: Gebt mir ein bisschen Zeit, wir brauchen einen Kompromiss. Ein Fan hat geschrien: Im Block gibt es keinen Kompromiss! Ich habe ihnen dann versprochen, dass sich die Polizei zurückzieht – wenn sie sich im Gegenzug beruhigen. Das hat funktioniert.
Gewaltbereite Rapid-Fans gelten als wenig zimperlich. Hatten Sie keine Angst?
Nein, ich hatte gar keine Angst! Ich will den Menschen zuhören, auch wenn sie emotional sind. Wenn man einem aggressiven Menschen ruhig begegnet, ändert das viel.
Bei Rapid kommt es immer wieder zu Ausschreitungen, der Verein wirkt hilflos. Hätten Sie einen Tipp?
Ausschreitungen kann man nie ganz verhindern. Aber ich würde die wenigen Unbelehrbaren ausfindig machen und Stadionverbote erteilen. In England wird das gut gemacht, dort gibt es keine Probleme.
Woher kommt Ihr Gespür für Menschen?
Ich habe mir mein Studium als Kellnerin in einer Bar finanziert. Dort habe ich Menschen wirklich kennengelernt. Da musst du mit jedem reden – egal, in welchem Zustand er sich gerade befindet.
Sie sind eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Wie sind Sie Präsidentin des TSV Hartberg geworden?
Ein Hartberger Unternehmer hat meine Firma umgebaut – und mich zum TSV Hartberg mitgenommen. Ich wusste anfangs nicht........
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