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Krise in Serbien: „Wenn es vorbei ist, ist es vorbei“

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27.03.2025

Der 15. März 2025 wird in die Geschichte Serbiens eingehen. Hunderttausende Menschen versammelten sich an jenem Samstag in Belgrad zum größten Protest, den das Land je gesehen hat. Seriöse Schätzungen sprechen von mehr als einer halben Million Teilnehmer:innen, also etwa einem Zehntel der serbischen Bevölkerung.

„Am 15. für die 15“ lautete das Motto – eine Anspielung auf die 15 Menschen, die beim Einsturz eines Bahnhofsvordachs in Novi Sad letzten November ums Leben kamen. Dabei war der Bahnhof gerade erst saniert worden. Rasch gab es erdrückende Hinweise auf Korruption, der Konstruktionsminister trat zurück. Der Einsturz des Vordachs war der Funke, der eine beispiellose Protestwelle entzündete.

Nach dem Unglück blockierten Studierende landesweit ihre Universitäten, unterstützt von vielen Lehrenden und Rektoraten. Rasch breiteten sich die Proteste auch auf andere Gruppen aus – zu viel Unmut hatte sich in den letzten Jahren aufgestaut. Die Art und Weise, wie die Regierung die Studentenproteste erst herunterspielen, dann ihr Ende erzwingen wollte, hat zusätzlichen Unmut ausgelöst.

Schon zuvor gab es immer wieder Proteste, zuletzt gegen die gefälschten Parlaments- und Regionalwahlen Ende 2023. „Der Unterschied ist, dass dieser von Studenten angeführte Protest tatsächlich eine breite soziale Bewegung hervorgebracht hat“, erklärt Aleksandar Ivković vom Zentrum für Zeitgenössische Politik in Belgrad.

Noch immer sind sie es, die den Widerstand vor allem tragen. Die Bewegung bleibt bewusst unpolitisch. „Das ist der Hauptgrund, warum die Studenten so erfolgreich waren“, erklärt Ivković. Ihre Forderungen – allen voran Korruptionsbekämpfung, funktionierende Institutionen und Transparenz – vereinen Menschen aller politischen Lager. Von links bis rechts, liberal bis konservativ, arm bis reich.

Mitte März fand nun die bisher größte Demo statt, auch sie blieb friedlich. Aus allen Teilen Serbiens sind Gruppen Richtung Belgrad marschiert, teils tagelang. Für den Politikwissenschaftler Srđjan Cvijić, u. a. am Belgrader Zentrum für Sicherheitspolitik tätig, ist die Lage eindeutig: „Vučić Unterstützung nimmt rapide ab, die Regierung ist in die Ecke gedrängt. Sie hat die politische Legitimität verloren.“

Nach internen Umfragen liegt die Zustimmungsrate für Präsident Vučić nur noch bei 33 Prozent, während 55 Prozent ihn ablehnen – so schlechte Werte wie noch nie.

Vučić sah sich daher zu Zugeständnissen gedrängt: Erst ließ er seinen Konstruktionsminister gehen. Als das nicht reichte, kündigte auch noch Ministerpräsident Miloš Vučević seinen Rücktritt an. Er ist jedoch noch im Amt. Vučić will dieser Tage bekanntgeben, wie es weitergehen soll, ob es etwa außerordentliche Parlamentswahlen geben wird. Viel ändern würden diese nicht, solange nicht Vučić selbst zur........

© Wiener Zeitung