Wie KI uns denkfaul macht
„Epistemische Faulheit – was ist das eigentlich?“
„Google es doch!“
Der Dialog erklärt es im Grunde. Epistemische Faulheit beschreibt eine Trägheit des Geistes, die sogar so weit geht, dass immer mehr Menschen nicht einmal mehr eine Suchabfrage ins Internet eintippen, weil sie zu faul sind, und daher lieber auf die Antwort verzichten. Wie gibt es das? Und was steckt dahinter?
Zunächst zu den Grundlagen: Epistemisch zu handeln bedeutet, auf der Grundlage von Erkenntnis zu agieren. Rauchen ist schlecht, daher rauche ich nicht. Schlaf ist gesund, daher versuche ich, ausreichend zu schlafen. Wer „epistemisch faul“ ist, will sich Wissensgrundlagen für Handlungen eher nicht erarbeiten, sondern fragt spontan den Chatbot zu allem, was er oder sie zum Leben braucht. Kochrezept mit Tomaten? Frag’ ChatGPT. Der schnellste Weg nach Hause? Sprich die Frage in die Maschine, die alles weiß. Wer ,,epistemisch faul ist”, lässt sich also lieber bedienen, ist am Erkenntniserwerb nicht interessiert und übernimmt, was er oder sie empfohlen oder gesagt bekommt. „Epistemische Faulheit“ steht für den scheinbar immer selbstverständlicher werdenden Wunsch nach vorgekauter Information.
Die Gründe liefert ChatGPT selbst: Wer die KI fragt, kommt schneller zu strukturierten Ergebnissen und spart Zeit: Warum sich anstrengen, wenn es einfacher geht? Der Preis aber sei, dass wir nichts abspeichern, weil wir alles nachschlagen können, und die eigene Problemlösungsfähigkeit nicht trainieren.
Auf einem tieferen Level wünschen wir uns komplette Auskunftspakete, anstatt eigenständig in Quellen und Literatur nachzulesen, wollen Sachverhalte gesagt bekommen, anstatt uns mit ihnen auseinanderzusetzen, und suchen nach vorgefertigten Antworten, die unser Bauchgefühl bestätigen, anstatt Kritik anzunehmen und unsererseits informierte, qualifizierte Kritik zu üben. Diese Herangehensweise wird häufiger, je mehr Information Suchmaschinen und Künstliche Intelligenz uns auf dem Silbertablett servieren und je intensiver wir uns in den eigenen Bubbles bewegen.
Hinzu kommt die Maxime ‚use it or loose it‘: Je weniger wir unser Hirn anstrengen, umso denkfauler werden wir. Dazu hat der Microsoft-Konzern 319 Wissensarbeiter:innen befragt, die mindestens einmal pro Woche KI-Chatbots bei der Arbeit verwenden. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Anstatt das eigene kritische Denken schon in der Informationsbeschaffung einzusetzen, wird immer öfter KI-gelieferte Info nur noch auf Richtigkeit überprüft. Statt Probleme mit Köpfchen zu lösen, gaben die Befragten an, fertige Antworten eher nur auszuführen und zu verwalten. Das heißt, dass digitale Informationswerkzeuge das Denken auf Schmalspur schalten.
Wissen ist Macht.........
© Wiener Zeitung
