100 Tage blauer Landeshauptmann: Bilanz in der Steiermark
Mario Kunasek lächelt in die Kamera. „Die blaue Welle rollt weiter!“, schreibt er unter sein Foto auf Instagram kurz nach den Gemeinderatswahlen in der Steiermark. Vergangenen Sonntag konnte die FPÖ ihre Stimmen mehr als verdoppeln, von 8,2 auf 17,4 Prozent. Es könnte derzeit schlechter laufen für Kunasek: 100 Tage sind vergangen, seit ihn Bundespräsident Alexander Van der Bellen am 19. Dezember 2024 als steirischen Landeshauptmann angelobt hat. Ein historischer Moment: Zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Republik steht ein freiheitlicher Politiker an der Spitze der Steiermark. Und erst zum zweiten Mal überhaupt führt ein FPÖ-Politiker eine Landesregierung an – der erste war Jörg Haider in Kärnten. Damit ist die Steiermark derzeit das einzige Bundesland Österreichs mit einem blauen Landeshauptmann. Kunasek regiert in einer Koalition mit der ÖVP und löste damit die schwarz-rote Koalition ab. Doch was hat sich seitdem getan? Welche Maßnahmen sind in Kraft getreten? Wie sieht blau-schwarze Politik in der Praxis aus?
Bisher hat die Regierung vor allem „Symbolthemen“ umgesetzt, bilanziert Politologe Peter Filzmaier im Gespräch mit der WZ und meint damit „Dinge, die nichts kosten und die keine große Relevanz für die Zukunft der Steiermark haben, auf die man aber immer wieder öffentlich hinweisen kann.“ Denn Fakt ist: Die blau-schwarze Landesregierung der Steiermark ist mit einem Budgetloch – konkret 6,4 Milliarden Euro Schulden – konfrontiert. „Symbolthemen“: Dazu gehört etwa das Kopftuchverbot für Landesbeamt:innen im Rahmen des Verbots von religiöser Kleidung im Dienst der Landesverwaltung. „Es gibt keine Daten dazu, ob das überhaupt irgendwen betroffen hat. Aber das konnte die Regierung sofort einführen“, erklärt Filzmaier. Auch das Genderverbot für amtliche Schriftstücke wurde umgesetzt. Der Erlass für ein Verbot von Handys bis zur sechsten Schulstufe in den steirischen Schulen ist seit Februar in Kraft.
Zuletzt sorgte das Aus für den steirischen „Lufthunderter“ für Schlagzeilen. Das Tempolimit wurde damals auf Basis des Immissionsschutzgesetzes Luft (IG-L) auf den Autobahnen verordnet. Kunasek hielt fest, dass laut einer Überprüfung die Grenzwerte derzeit eingehalten würden. Die strengeren Grenzwerte, die ab 2030 auf Basis von EU-Vorgaben gelten, würde man hingegen auch mit dem „Lufthunderter“ nicht erreichen. Insofern brauche es ohnehin neue Maßnahmen. Die Grazer Grünen kritisieren scharf: Es sei „nicht hinnehmbar, dass jene Menschen, die in den Gebieten entlang der Autobahn leben und wohnen, nun wieder einer höheren Stickoxid- und Feinstaubbelastung ausgesetzt werden sollen“. Das Aus war laut Peter Filzmaier für die Regierung leicht umsetzbar, „ohne dass es unmittelbar Geld kostet“.
Gespart wird auch in der steirischen Kulturbranche, dort herrscht derzeit großer Aufruhr: Das Kulturkuratorium des Landes, das Empfehlungen zur Fördermittelvergabe erstellt und die Landesregierung in kulturpolitischen Fragen berät, wurde überraschend neu besetzt und erste Kürzungen und Streichungen von Förderungen wurden bekannt. Zuletzt musste die Diagonale aufgrund einer Förderabsage vor Festivalstart die Filmvermittlungsprogramme für Schüler:innen sowie das Kinderkino absagen. Auch das Wahlversprechen, die ORF-Landesabgabe abzuschaffen, will Landeshauptmann Kunasek demnächst erfüllen – wann genau, ist noch unklar. Bisher landete die Landesabgabe zu 75 Prozent im Kulturbudget. Vor Kurzem protestierten rund 2.500 Kulturschaffende auf der Straße gegen die blau-schwarze Kulturpolitik. Ein wesentlicher Kritikpunkt: Das Kulturkuratorium sei „nicht fachlich, sondern rein parteipolitisch“ besetzt worden. Kulturlandesrat Kornhäusl beschwichtigte, er bekenne sich zur offenen und vielfältigen steirischen Kulturlandschaft. Er hat in den nächsten Wochen „weitere Gespräche mit zahlreichen Kulturschaffenden“ angekündigt, „um den Dialog mit der........
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