Das ist Trumps mediale Gleichschaltungsstrategie
Hinweis des Autors: Ich bitte, die Anmerkung am Ende dieses Textes zu beachten. Danke.
Gleichschaltung. Ein politischer Begriff, mit dem man speziell in Deutschland vorsichtig sein sollte, wie mit fast allen Worten, die automatisch einen Konnex zur Nazizeit herstellen. Und trotzdem ist der Begriff für die Entwicklung in den USA nicht nur möglich, sondern geboten. Soeben wird berichtet, dass in Sachen TikTok eine Einigung zwischen Trump-Administration und China bevorstehen soll. Und kurz danach verliert der Comedian und Late-Night-Host Jimmy Kimmel zumindest temporär seine Sendung – auf staatliche Anordnung hin. (Lesen Sie hier mehr über Trumps Angriff auf die Meinungsfreiheit.)
Sascha Lobo, Jahrgang 1975, ist Autor und Strategieberater mit den Schwerpunkten Internet und digitale Technologien. Gemeinsam mit Jule Lobo beschäftigt er sich im Podcast »Feel the News – Was Deutschland bewegt« mit aktuellen Debattenthemen.
Diese beiden scheinbar kaum miteinander verbundenen Ereignisse haben eine für die amerikanische Demokratie höchst relevante Verbindung. Beides – Kimmels Quasirauswurf und die TikTok-Verhandlungen – sind ziemlich sicher Teil oder Folge einer vorbereiteten Strategie. Denn das zeichnet die zweite Präsidentschaft Trumps aus: Mit sehr viel Geld, ausgefeiltem technologischem Wissen und hoher politischer Planungsintelligenz sowie besorgniserregendem antirechtsstaatlichen Druck wird die mediale Entdemokratisierung der USA vorangetrieben.
Wir erleben in den Monaten nach der zweiten Amtseinführung von Donald Trump eine neue Form der Gleichschaltung. Sie verfolgt offensichtlich das alte Ziel: Ein autoritärer Machthaber will Kontrolle über die Öffentlichkeit bekommen. Neu aber ist, dass die Öffentlichkeit sich strukturell verändert hat. Wenn man vor diesem Hintergrund auf junge Amerikaner:innen blickt, dann gibt es zwei wesentliche Instanzen, die die für sie relevante politische Öffentlichkeit ausmachen. Eine ist technologisch getrieben: soziale Medien-Plattformen, vor allem TikTok und auch Instagram. Eine andere ist inhaltlich und wird seit rund 20 Jahren mediensoziologisch erforscht: die große Bedeutung von Comedians und Late-Night-Shows bei der politischen Information.
In Deutschland angesichts von handwerklich durchaus begabten Abiturientencomedians wie Jan Böhmermann nicht leicht vorstellbar – aber als sogenannte sekundäre Nachrichtenquelle haben amerikanische Comedians und speziell Late-Night-Shows eine erhebliche Bedeutung bei der politischen Information und auch der Politisierung der jüngeren Generationen.
Schon 2004, etwa mit der »Daily Show« von Jon Stewart oder »Saturday Night Live«, haben laut dem Institut PEW Research 21 Prozent der jungen Menschen ihre (politischen) Nachrichten »regelmäßig« und 29 Prozent »manchmal« aus Comedy-Shows bezogen, für Late-Night-Shows lag die Zahl der sich dort manchmal Informierenden sogar bei 31 Prozent. Durch soziale Medien ist dieser Effekt dramatisch verstärkt worden.
Während die TV-Shows nicht überragend große Reichweiten bei der Ausstrahlung erreichen, gehen TikTok- und Instagram-Clips aus diesen Sendungen regelmäßig viral und erreichen ein Vielfaches an Aufmerksamkeit.
Im Schnitt sahen etwa Jimmy Kimmel mit seiner TV-Show im Wahljahr 2024 je Sendung rund 226.000 Menschen zwischen 18 und 49 zu, laut der allgemein akzeptierten Messstelle Nielsen . Der meistverbreitete Videoclip 2024 auf dem TikTok-Account von Jimmy Kimmel dagegen besteht aus der Verhöhnung von Trump-Supportern in South Carolina und steht bei über 30 Millionen Views. Aus jeder Comedy- und Late-Night-Show werden Videoclips auf Social-Media-Kanälen verbreitet, von denen buchstäblich jeder einzelne mehr junge Menschen erreicht als die gesamte Sendung. Und das allein über die offiziellen Kanäle der Sendungen, die inoffizielle Verbreitung durch Fan-Accounts kann noch mal ein Vielfaches davon bringen.
Die Trump’sche Gleichschaltungsstrategie muss im TikTok-Zeitalter daher aus mehreren Schritten bestehen. Die oft plumpen »Fake News«-Attacken auf klassische Medien waren Kennzeichen der ersten Präsidentschaft. Die Strategie der zweiten Trump-Präsidentschaft besteht aus der schrittweisen Erschwerung, Verringerung, Verunmöglichung oder sogar Vernichtung jedes einzelnen Gliedes in der publizistischen Kette, die eine kritische Öffentlichkeit in den USA im Jahr 2025 ausmacht. Klassische Medien wie die »© Spiegel Online
