Menschen allein unterwegs: Woher kommt die Sehnsucht nach Wildnis?
Sie hatte sich vorbereitet, ihren Camping-Bus gut ausgerüstet und Proviant eingepackt. Doch dann hatte Carolina Wilga einen Unfall in der australischen Wildnis und stieß sich nach eigenen Angaben so heftig den Kopf, dass sie verwirrt reagierte und falsche Entscheidungen traf. Ihr Auto zu verlassen zum Beispiel. Sie verirrte sich, musste zwölf Tage und elf Nächte allein in der gefährlichen Umgebung ausharren, ehe sie mit viel Glück gefunden wurde. Ein Wunder nennen das Leute, die sich mit Wildnis auskennen.
Der Fall beschäftigt viele Menschen. Vielleicht, weil die Geschichte einen guten Ausgang nahm. Und glückliche Geschichten gerade eher selten sind. Vielleicht auch, weil die mentale Stärke der jungen Frau beeindruckt. Sie gab nicht auf über so lange Zeit einsam in der menschenleeren Natur voller Bedrohungen: giftige Tiere, kalte Nächte, fehlende Nahrung, Pfützenwasser – und hinter allem die vielleicht größte Gefahr: nach Tagen die Hoffnung zu verlieren. Viele spielen nun womöglich durch, wie sie selbst reagiert hätten, was sie tun und wie lange sie durchhalten würden.
Natürlich kann man das nicht wissen, wenn man nie in existenzielle Einsamkeit geriet. Und natürlich befördert auch das die Faszination für unwegsames Gelände. Denn der Alltag der meisten ist vorhersehbar und eng getaktet. Stress in der Komfortzone statt Abenteuer in der Einsamkeit. Man weiß jeden Tag, was kommt, welche Termine abgearbeitet werden müssen – und funktioniert. Dazu verlagert sich immer mehr Alltag in digitale Räume – im Job wie privat. Und das Leben fühlt sich mehr und mehr künstlich an.
Die Wildnis dagegen ist physisch, archaisch, unkalkulierbar. Wer sich hineinwagt, liefert sich aus. Selbst mit Satellitentelefonen, Jodtabletten, Generatoren im Gepäck. Die Wildnis kommt bestens ohne Menschen aus. Darum erscheint sie intakt, mit sich im Einklang. Sie ist das hermetische Gegenstück zur........
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