Willkommenes Ablenkungstheater in akuter Kriegsgefahr?
Nach dem eindeutigen Wahlsieg von Donald Trump am 5. November 2024 tritt der Vertraute des "Presedent-Elect", Elon Musk, nun immer mehr durch öffentliche Kommentare und Empfehlungen zu der für den 23. Februar 2025 angesetzten deutschen Bundestagswahl hervor. Seit Tagen gibt der 53-Jährige Musk der AfD Schützenhilfe, schaltet sich direkt in den Wahlkampf ein und scheut „sogar nicht davor zurück, die obersten demokratischen Institutionen Deutschlands zu attackieren und zu provozieren“. (1) Auf seinem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) nannte Musk Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Silvestertag als Reaktion auf den Post einer Influencerin einen "undemokratischen Tyrannen" mit dem Zusatz "Schande über ihn".(2) Auf Musks Attacke reagierte klugerweise das Bundespräsidialamt auf Nachfrage deutscher Medien äußerst zurückhaltend. Ebenso geschickt verhält sich die Bundesregierung, die dem US-Amerikaner offenbar keinen weiteren Raum im Wahlkampf geben will. Hat Musk mit seiner Steinmeier-Kritik vielleicht ins Schwarze getroffen? Steinmeier hat seit der deutsch-amerikanischen Zeitenwende vom 24. März 1999, dem Krieg gegen Rest-Jugoslawien ohne UN-Mandat (völkerrechtswidrig) bis zu seiner Präsidentschaft von Merkels Gnaden in exponierten Stellungen die Außenpolitik der Bundesrepublik mitgestaltet.(3)
Im Frühjahr 2007 erhielt Außenminister Steinmeier vom militärischen Berater des deutschen Botschafters in Kabul, Oberstleutnant Jürgen Heiducoff, eine aktuelle Analyse der Lage in Afghanistan, die von den Medien als „Brandbrief aus Kabul“ bezeichnet und am 31. Mai 2007 in einer ARD-Monitorsendung thematisiert wurde. Bevor Oberstleutnant Heiducoff den Dienstposten an der Botschaft antrat, war er während seines fast dreijährigen Dienstes in Afghanistan auch Zeuge von seiner Auffassung nach unverhältnismäßiger militärischer Gewalt westlicher Verbände gegenüber Zivilisten geworden. Er empfahl schon frühzeitig eine strategische Neuausrichtung, die eine Stärkung der Zivilgesellschaft in den Vordergrund stellen solle. Da 2007 die Situation zu eskalieren begann, wandte er sich direkt an seinen Vorgesetzten, den Außenminister Steinmeier:
„Herr Minister, ich beobachte eine wachsende Dissonanz zwischen den Zielen unserer Afghanistanpolitik und der militärischen Praxis. Ich stelle fest, dass in Unterrichtungen von ISAF für Politiker und Parlamentarier die militärische Lage unzulässig geschönt dargestellt wird. Auch deutsche Generäle beschönigen oder verschweigen eigene Probleme. Die ständigen Forderungen nach Truppenverstärkung, die steigenden Kosten des militärischen Engagements, das Anwachsen eigener Verluste und die wachsende Zahl ziviler Opfer verdeutlichen die Ungeeignetheit und Ausweglosigkeit der militärischen Gewalt als Lösung der inneren und äußeren gesellschaftlichen Probleme Afghanistans. … Wenn immer mehr zivile Opfer und unsägliches Leid durch die eigenen Militärs unter der Zivilbevölkerung produziert werden, dann eignet sich das Mittel der militärischen Gewalt nicht, um die Probleme in diesem Land zu lösen. … Tragen Sie bitte dazu bei, die weitere Eskalation der militärischen Gewalt in AFG zu stoppen.“(4)
Welche Reaktion gab es 2007 von Steinmeier? Oberstleutnant Heiducoff wartet bis heute noch auf eine Antwort von seinem damaligen Außenminister. Dafür folgten 2007 dienstrechtliche Auseinandersetzungen, die 2008 zur vorzeitigen Ablösung Heiducoffs führten. Ein Zusammenhang zwischen der Ablösung und seiner Kritik an der Kriegführung in Afghanistan wurde vom Dienstherrn abgestritten. Heiducoff stellt einen solchen als gegeben dar, und weist darauf hin, dass ihm gegenüber keinerlei Disziplinarverstöße oder Fehler, die zu seiner Ablösung hätten führen müssen, geltend gemacht wurden. Heiducoff wurde auch nicht mehr befördert, dafür seine Kameraden, die sich für eine weitere militärische Eskalation ausgesprochen hatten. Höhepunkt dieser fatalen deutschen Politik ist die Beförderung von Oberst Klein zum General, der am 4. September 2009 den fatalen Luftangriff gegen zwei im Morast stecken gebliebene Tanker befohlen hatte, bei dem es offiziell 91 Tote, darunter dutzende Zivilisten, (unabhängige Zählungen gehen von 142 Toten aus) gegeben hatte.(5)
Bei dem vom Westen orchestrierten Putsch in der Ukraine im Februar 2014 gehörte der damalige Außenminister Steinmeier zu den Politikern, die die Strippen zogen und sich nicht scheuten, mit Elementen aus dem faschistischen Umfeld von Stepan Bandera zusammenzuarbeiten. Der Putsch führte am 2. Mai 2014 in einen brutalen Bürgerkrieg, in dem die ukrainische Regierung die Separatisten im Donbass 8 Jahre lang bombardierte (laut UN ca. 14.000 Tote).
Das UN-Dokument (UNSC 2022/2015) - besser bekannt als "Minsk II" oder Minsker Friedensabkommen - sah einen Maßnahmenkomplex zur friedlichen Lösung des seit Mai 2014 herrschenden Ukraine-Kriegs vor. Mit der deutsch-amerikanischen Erklärung vom 21. Juli 2021 keimte Hoffnung auf. Denn darin versicherten die USA und Deutschland Frieden in der Ukraine im Rahmen des von Deutschland und Frankreich geschaffenen so genannten Normandie-Format "Minsk II" zu erreichen.(6) Doch weder die Merkel- noch die Scholz-Regierung machte Anstalten, diesen Staatsvertrag zu erfüllen. Im Interview mit der "Zeit" vom 7. Dezember 2022 gab dann Altkanzlerin Angelika Merkel preis: „das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht“.(7) Wenn auch der Bundespräsident sich nicht in die Tagespolitik einbringen darf, so ist es doch seine Pflicht, auf die Umsetzung von Staatsverträgen zu achten. Auf diese vornehme Aufgabe hat Steinmeier ohne Not verzichtet.
Nach seiner Wiederwahl zum Bundespräsidenten am 13. Februar 2022 hatte Frank-Walter Steinmeier nichts anderes zu tun, als dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in deutlichen Worten die Verantwortung für die Eskalation im Ukraine-Konflikt zuzuweisen. Er ließ sich sogar zu einem Appell an Putin "Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine"(8) hinreißen. Unter großem Beifall der Bundesversammlung gab er Putin den Rat, nicht den Fehler zu machen, die Stärke der Demokratie – Klarheit, Abschreckung und Entschlossenheit – zu unterschätzen. Mit seinem teutonischen Auftreten in seiner ersten Rede als wiedergewählter Präsident befeuerte Steinmeier in verantwortungsloser Weise den amerikanisch-russischen Konflikt. Die NOZ titelte am 14. Februar „Der richtige Präsident zur richtigen Zeit“, und Ralf Schuler ging in seinem BILD-Kommentar „Diese Ansage hatte Wums!“ mit seiner Forderung „Dieser Rede müssen Taten folgen!“ noch weiter.(9) Auf Steinmeier konnten sich die transatlantischen Freunde also bisher verlassen.
In seiner Rede zur Auflösung des Bundestages (10)am 27. Dezember warnte Steinmeier eindringlich vor Manipulation der Wahl in Deutschland: „Einflussnahme von außen ist eine Gefahr für die Demokratie – sei sie verdeckt, wie kürzlich offenbar bei den Wahlen in Rumänien, oder offen und unverhohlen, wie sie derzeit besonders intensiv auf der Plattform X betrieben wird“, sagte Steinmeier.
Einen Tag später folgte von Musk ein Gastkommentar in der Zeitung "Welt am Sonntag". Darin rief der Tech-Milliardär erneut zur Unterstützung der AfD auf. Vorher hatte er auf X gepostet, nur die AfD könne „Deutschland retten“(11), legte der Tech-Milliardär in einem Gastbeitrag der Zeitung Welt am Sonntag am 28. Dezember nach, in dem er zur Unterstützung der in Teilen rechtsextremen Partei aufrief. Im Raum steht der Vorwurf der Wahlbeeinflussung.(12) Mehr als 40 Redakteure der Welt-Gruppe hatten sich von dem Beitrag distanziert oder das Erscheinen abgelehnt, die Leiterin des Meinungsressorts, Eva Marie Kogel, kündigte.
Kanzler Olaf Scholz alles andere als ein Narr!
Nach dem Bruch der Ampel-Koalition am 6. November hatte Musk auf X bereits Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angegriffen. Auf Deutsch schrieb Musk: "Olaf ist ein Narr."(13) Olaf Scholz mag unter Gedächtnislücken leiden, aber er ist sicherlich kein Narr! Er ist ein zuverlässiger Transatlantiker, auf den sich die Regierung Biden blind verlassen konnte (bis auf die Umsetzung der deutsch-amerikanischen Erklärung vom 21. Juli 2021, die vermutlich ohnehin nur zur Ablenkung Putins dienen sollte). Das von Merkel installierte Berlin, „das ist die "Hände-an-die-Hosennaht", mit der Scholz den Zerstörungsbefehl für die Pipeline entgegennahm oder die aus dem Himmel gefallene Beschaffungsentscheidung für den Zerstörer der europäischen Luftfahrt, die F-35. Derzeit läuft ein Überbietungswettbewerb deutscher Micker-Politiker zu einem überbordenden Militärhaushalt. Das ist Speichellecken vor Washingtoner Amtsantritt. Dabei wollte im Gegenzug Präsident Trump die US -Truppen weitestgehend aus Deutschland abziehen. Wo ist dieses Gegengeschäft heute? Soll Deutschland nur noch als Plünderungsgebiet herhalten“, fragt Willy Wimmer, „damit die USA global ihre Rolle spielen können?“(14)
Scholz, der vermeintliche Zauderer, hat am Bundestag vorbei die Zukunft der Republik in einem unvorstellbaren Ausmaß in Gefahr gebracht.
Am 27. Februar 2022, drei Tage nach der Aufnahme der russischen Kampftätigkeiten in der Ukraine, hielt Olaf Scholz im Bundestag vor den zu einer Sondersitzung zusammengekommenen Abgeordneten seine als Zeitenwende-Rede in die Geschichte eingegangene Regierungsansprache. Für Scholz hatte mit dem "völkerrechtswidrigen" Angriff der Vetomacht Russland auf die Ukraine am 24. Februar 2022 eine "Zeitenwende" begonnen. Doch eine solche Zeitenwende war bereits 21 Jahre zuvor, am 24. März 1999 mit dem völkerrechtswidrigen Angriff (ohne UN-Resolution) der Vetomacht USA auf Restjugoslawien durch die USA eingeläutet worden. Seither mandatieren die USA ihre Kriege (euphemistisch „Interventionen“ genannt) weltweit ohne UN-Resolution: die UN-Charta wurde außer Kraft gesetzt und das Völkerrecht einfach durch das Faustrecht ersetzt. Die Beerdigung des Völkerrechts fand also nicht erst am 24.02.2022 statt!
Kriegskredit getarnt als Sondervermögen
Weiter stellte Scholz unter Bruch der Verfassung ein "100 Milliarden Euro Sondervermögen" – was für ein billiger Euphemismus – für Rüstung in Aussicht, ein Vorgang, den es so noch nie gegeben hatte. Zu Beginn des ersten Weltkriegs hatte am 4. August 1914 Kaiser Wilhelm II im Reichstag über Kriegskredite abstimmen lassen. Die SPD stimmte den Kriegskrediten und damit der Finanzierung des Weltkriegs zu. Sogar Karl Liebknecht stimmte beim ersten Mal dafür - aus Fraktionsdisziplin.(15)
Scholzens Führungsanspruch bei der European Sky Shield Initiative (ESSI)
In seiner Prager Rede vom 29. August 2022 versprach Scholz, dass Deutschland stark in seine Fähigkeiten bei der Luftverteidigung investieren will und sah Deutschland in einer Führungsrolle. Sechs Wochen später, am Rand des Nato-Treffens in Brüssel, unterstrich seine Verteidigungsministerin Christine Lambrecht diese Führungsrolle und unterzeichnete mit 14 Partnern eine Absichtserklärung mit dem Titel European Sky Shield Initiative (ESSI)(16). Ziel ist es, Europa besser gegen Gefahren aus der Luft zu schützen. Lambrecht versprach sich von ESSI „politische, finanzielle und auch technologische Synergieeffekte“.(17) Das wird vom französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und manch anderen EU- und NATO-Staaten anders gesehen, möglicherweise weil ESSI nicht als ausreichend effektiv betrachtet wird. Ebenso stört wohl die Beschaffung von außerhalb der EU oder Scholzen´s Anspruch auf Führung. So ist es denkbar, dass ESSI zur reinen Beschaffungsorganisation wird (allein auf Österreich würden 6 Milliarden Euro entfallen (18)), und das würde Deutschlands Scheitern als Führungsnation bei der europäischen Luftverteidigung bedeuten.
Scholzens "Nationale Sicherheitsstrategie" ebnete Deutschlands Kriegskurs
Am 14. Juni 2023 stellte Olaf Scholz in der Bundespressekonferenz neue 74-seitige Nationale Sicherheitsstrategie der Öffentlichkeit vor: "Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig. Integrierte Sicherheit für........
© Neue Rheinische Zeitung
