Kenny Gorelick: Das Enfant Terrible
Das Saxofon ist ein Einfachrohrblattinstrument. Es wurde in den frühen 1840er-Jahren von dem belgischen Flötisten und Klarinettisten Adolphe Sax erfunden und angefertigt. Ganz als hätte er nicht schon genügend Instrumente besessen. Der Sound des Saxofons kann erheblich nerven – oder paradiesisch anmuten, je nachdem wer es wie spielt und von welcher Begleitung sein Klang umrahmt wird.
Was Erfinder Sax damals noch nicht wissen konnte: 140 Jahre später würde ein Musiker namens Kenny Gorelick sein Schallrohr aus Messing unter dem Label des Jazz-Genres für Kitsch-Klänge missbrauchen und dafür viel Schelte einstecken. Zugleich würde diese Strategie aber zu beispiellosem Erfolg führen.
In den 1970er- und 80er-Jahren gehörte viel dazu, mit Instrumental-Stücken die Charts und die Herzen vieler Hörer zu erobern. Die schottische Combo The Average White Band schaffte dies 1974 mit dem Jazz-Funk-Kracher »Pick Up the Pieces«, die Fusion-Gruppe Spyro Gyra des jüdischen Saxofonisten Jay Beckenstein aus Buffalo (Bundesstaat New York) brachte ihren »Morning Dance« 1979 in die Hitlisten. Der Trompeter Herb Alpert – ebenfalls ein Jude – war mit dem instrumentalen Leckerbissen »Rise« zur selben Zeit erfolgreich.
Ein weiteres gutes Beispiel wurde 1965 von Barry White geschrieben, um acht Jahre später, im November 1973, von seinem Love Unlimited Orchestra veröffentlicht zu werden, nämlich das »Love’s Theme«. Und wer war damals im zarten Alter von 17 Jahren – als einziger Jude und einziger Weißer – Teil dieses Orchesters? Kenny Gorelick.
Sein BWL-Studium an der University of Washington im heimischen Seattle führte er parallel fort. Aus heutiger Sicht ist es einfach, anzunehmen, dass Gorelick das Saxofonspiel und Geschäftstheorie – genau diese Kombination an Können und Wissen – brauchte, um der erfolgreichste Instrumentalist aller Zeiten zu werden. Mit 75 Millionen verkauften Alben gehört er auch zu den erfolgreichsten Musikern überhaupt.
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Wie schafft man es, eine Überdosis Kitsch zu verkaufen? Es muss »guter Kitsch« sein. Und der Verkauf sollte im richtigen Moment erfolgen – am besten zu Beginn der Smooth Jazz-Ära in den USA: Als Kenny Gorelick seine Solo-Karriere begann, tauchten unzählige Radiosender auf, die den zumeist überaus kommerziellen Klang, der mit dieser Subgenrebezeichnung gemeint ist, in die Welt hinaus sendeten.
Diese Geschichte begann aber lange bevor sich der Smooth Jazz wie eine Krankheit verbreitete (oder viral ging, wie man heute sagt), nämlich am 5. Juni 1956, mit der Geburt von Kenneth Bruce Gorelick, der eines Tages das arrivierteste Enfant Terrible des Jazz werden sollte. Seine Mutter war eine kanadische Jüdin aus Saskatchewan, über seinen Vater ist nicht viel bekannt.
Kenny war 10 Jahre alt, als er im Fernsehen eine Saxofon-Performance sah, die ihn schwer beeindruckte. Damit war es entschieden. Er bekam ein glänzendes Alt-Saxofon. Wenige Jahre später war er Teil der Band seiner High School. Sein damaliger........
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