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Mit Schwimmkleid ins Wasser

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Mittagszeit, die Sonne brennt. Schatten ist im Seebad Enge rar. Aber den suchen die Gäste hier auch nicht. Sie wollen sonnenbaden, etwas Zeit für sich haben. Man verbringt die Büropause hier, trifft sich mit einer Freundin oder hört den Möwen auf dem Zürichsee zu. Im Vergleich zum sommerlichen Rummel in der Stadt ist es an diesem Flecken im Hafen von Zürich unglaublich ruhig. Denn groß gesprochen wird hier nicht. Es ist eine Oase mitten in der Stadt.

Das Tuch auf den Boden gelegt, schließen viele hier einfach die Augen für ein paar Minuten, so wie Clarisse Pifko, eine studierte Betriebswirtin, die als Redakteurin bei Wirtschaftsmedien tätig war und seit ihrer Pensionierung Deutsch unterrichtet. »Bequem ist es auf diesen Holzbrettern nicht, aber es ist einer der schönsten Orte in Zürich«, sagt die 74-Jährige im blauen Badeanzug, die sich selbst als Wasserratte bezeichnet. »Eigentlich warte ich das ganze Jahr darauf, dass ich schwimmen gehen kann.« Natürlich schwimme sie auch im Winter, betont sie, aber im Hallenbad, und das sei nicht dasselbe wie in den Sommermonaten im See.

Clarisse Pifko besucht auch regelmäßig andere öffentliche Freibäder. Dort zieht sie sich dann ein Schwimmkleid über. Das tut sie, weil sie sich als orthodoxe Frau an die Zniut hält, das Gebot, den eigenen Körper zu bedecken. »Das behindert mich aber in keiner Weise beim Schwimmen«, sagt sie mit einer Überzeugung, in deren Klang etwas von der Ruhe des Sees mitschwingt. Auch heute hat Clarisse Pifko ihr Schwimmkleid dabei. Doch sie zieht es nicht an, sondern zeigt es nur: Es ist hochgeschlossen, aber bequem, aus weichem Material mit bunten Streifen.

Weil das Seebad in einen gemischten und einen Bereich nur für Frauen getrennt ist, wo die sonnengebräunte Pifko ausschließlich hingeht, kann sie im herkömmlichen Badeanzug ins Wasser steigen oder »sünnele«, wie man auf Schweizerdeutsch sagt: sich sonnen. Ihr, der zweifachen Mutter, mehrfachen Groß- und bereits Urgroßmutter, sei bewusst, dass es bei dieser Sonneneinstrahlung nicht........

© Juedische Allgemeine