Blick auf die Denkerin
Auch ohne alle ihre Überzeugungen zu teilen, kann man gar nicht anders, als an ihren Lippen zu kleben. Wie sie da sitzt, in dem klobigen Sessel, mit den wachen Augen hinter der dickrandigen Brille, immer eine Zigarette in der Hand oder im Aschenbecher neben sich, und in druckreifen Sätzen spricht: über Philosophie, ihr Selbstbild als politische Theoretiker-in und Frau, ihre jüdische Kindheit, den Holocaust, die Emigration in die USA, ihr Schreiben und ihre Schriften.
1964 war Hannah Arendt, bis heute eine der einflussreichsten und wichtigsten politischen Theoretikerinnen und Publizistinnen des 20. Jahrhunderts, zu Gast in der Sendung Zur Person. Als erste Frau nach 16 prominenten, meist politischen Vertretern stand sie Günter Gaus Rede und Antwort. »Männer wollen immer furchtbar gern wirken«, sagt sie dort einmal mit der ihr eigenen Ironie.
Dass das Regietrio um Jeff Bieber, Chana Gazit und Sabine Krayenbühl in seinem Dokumentarfilm Hannah Arendt – Denken ist gefährlich immer wieder auf das legendäre Interview zurückkommt, erscheint naheliegend. Es bildet so etwas wie eine Rahmenerzählung in dem dokumentarfilmischen Ritt durch Arendts turbulente, von welthistorischen Ereignissen getriebene Biografie.
Der Film kommt wenige Wochen vor dem 50. Todestag der am 4. Dezember 1975 einem Herzinfarkt erlegenen Denkerin in die........
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