Theater | „I Did It My Way“ bei der Ruhrtriennale: Der traurige Mann von Watertown
Frank Sinatras berühmtester Song, I Did It My Way, erklingt meist als Hymne der Selbstbehauptung: Ein Mensch bekennt sich dazu, immer seinen eigenen Vorstellungen und Werten treu geblieben zu sein – und gesteht nebenbei auch Fehler ein. In Sinatras eigenen Aufnahmen des Songs schwingt bei allem Bekenntnispathos auch eine tief empfundene Melancholie mit. Es hat eben seinen Preis, den eigenen Weg zu gehen. Bei anderen Künstlerinnen und Künstlern kann dies einem wilden Trotz weichen und wie in Sid Vicious’ berühmter Interpretation dem Song einen wütend-aggressiven Ton verleihen.
Nur, wie klingt I Did It My Way, wenn der, der dieses Lied anstimmt, nie wirklich eine echte Vorstellung davon hatte, was eigentlich sein Weg sein könnte? Wohl so wie bei Lars Eidinger, als er diesen Song zum ersten Mal in Ivo Van Hoves gleichnamiger Musiktheater-Kreation zur Eröffnung der Ruhrtriennale intoniert. Eidingers Version strahlt etwas Brüchiges, fast schon Zerrissenes aus. Die berühmten Worte kommen dem von ihm verkörperten namenlosen Mann zwar über die Lippen, aber er scheint ihnen selbst nicht zu glauben. Also forciert er jeden Ton und setzt dabei auf Trotz und Kraft, die jedoch Behauptung bleiben. Und in diesem Moment könnte dieser Song gar nicht anders klingen.
Eidingers Figur lebt ihr Leben nicht. Inspiriert vom lyrischen Ich von Frank Sinatras 1970 veröffentlichtem Konzeptalbum Watertown lässt er sich treiben und hat jegliche eigene Initiative........
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