Ausstellung | Bauen für die Zukunft: Wände aus Pilzen
Deutschland hat sich gesetzlich verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu werden – da gerät sofort der Gebäudesektor in den Fokus. Rechnet man die Treibhausgasemissionen für Bau und Betrieb der rund 22 Millionen Gebäude hierzulande zusammen, kommt ein Anteil von ungefähr 40 Prozent am deutschen Gesamtausstoß zusammen. Dabei stehen die Zeichen notwendigerweise auf Expansion: Bis zu eine Million Wohnungen fehlen nach Expertenschätzungen in Deutschland. Verkleinerter Fußabdruck und vermehrtes Angebot – wie man beides so zusammenbringt, dass es der Durchschnittsverbraucher obendrein auch noch bezahlen kann, ist die Kernfrage, die die gesamte Branche umtreibt. Antworten darauf präsentieren derzeit Ausstellungen in Bonn und München.
„Es sind diese vielen kleinen Bausteine, die häufig nicht so wahnsinnig aufregend oder sexy klingen, die aber zusammengenommen den Bausektor zu einem wichtigen Hebel machen“, sagt Eva Kraus, die Intendantin der Bundeskunsthalle in Bonn, die eine dieser Ausstellungen – We/Trans/Form. Zur Zukunft des Bauens – kuratiert hat. Baustoffe spielen bei den Überlegungen eine große Rolle, denn die Produktion von Beton, Stahl, Ziegel oder Glas steht für hohen Ressourcenverbrauch, hohen Energieeinsatz und hohe Treibhausgasemissionen. Traditionelle Materialien wie Lehm oder Holz kommen daher wieder zu Ehren, aber auch ganz ungewöhnliche Neuentwicklungen wie etwa die Nutzung von Pilzen.
Dirk Hebel, Professor für nachhaltiges Bauen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), forscht seit geraumer Zeit zu den Einsatzmöglichkeiten des Pilzmyzels, wie das Wurzelgewebe genannt wird. „Wir bekommen es von Pilzfarmen aus Belgien oder Holland, denn für die ist das Abfall“, so Hebel. In Karlsruhe macht man aus dem Geflecht Platten für den Innenausbau, die die herkömmlichen Span- oder Faserplatten ersetzen. „Durch die Kleber darin werden die herkömmlichen Platten beim Verbrennen zu toxischer Asche, die auf den Sondermüll muss“, so Hebel, „unsere Pilzplatten können Sie auf den Kompost geben.“
Die KIT-Forscher haben ihr Produkt inzwischen so weit, dass sie eine Kleinserienproduktion starten können. Das nötige Kapital steht ebenfalls bereit. Der Myzel-Abfall europäischer Pilzfarmen reicht Hebels Einschätzung nach für einen niedrigen zweistelligen Prozentanteil am europäischen........
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