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Auf Spurensuche in Berlin: Der Mann, der mit den Steinen redet

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Dies ist ein Open-Source-Beitrag. Der Berliner Verlag gibt allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten.

„Schauen Sie mal hier“, sagt Hans Greiner, während er sich mit einem Knie auf dem Boden abstützt und mit dem Finger auf ein kleines Loch zeigt, das nur eine Tiefe von etwa zwei Zentimetern hat und knapp die Länge eines Fingers. „An dieser Stelle kann man sehr gut sehen, dass hier irgendetwas ziemlich heftig eingeschlagen ist.“ Wir befinden uns auf dem Bebelplatz in Mitte, 30 Meter entfernt hat sich eine Touristengruppe um ein anderes, deutlich größeres Loch, das mit einer durchsichtigen Glasplatte abgedeckt ist, versammelt. Gerade erklärt ein Reiseführer die Bedeutung des unterirdischen Mahnmals zur Bücherverbrennung von 1933, das unter dem Glas in der Erde zu sehen ist.

Für das kleine Loch, auf das Greiner zeigt, und die vielen anderen, die deutlich in den Granitplatten zu erkennen sind, interessiert sich dagegen niemand. Dabei können sie eine spannende Geschichte über die wohl schicksalhaftesten Tage erzählen, die Berlin jemals erlebt hat: die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs Ende April und Anfang Mai 1945. Das längliche Loch, fast mehr eine Art Kratzer im Granitstein, ist 80 Jahre nach dem Ende des Krieges noch immer eine Spur der Kämpfe um die Reichshauptstadt, denn an dieser Stelle ist damals eindeutig ein Geschoss im Boden eingeschlagen. Eine Spur allerdings, die von den vielen Passanten, Einheimischen wie Touristen, die hier täglich über den Platz laufen, übersehen wird.

Und das gilt nicht nur für diesen historischen Ort, sondern für viele Stellen in Berlins weiträumigem Zentrum, denn vergleichbare Spuren in Form von kleinen Löchern findet man noch heute in den für Berlin typischen Gehwegplatten ganz vieler Trottoirs. Sie sind begehbare Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes. Man muss nur mit offenen Augen durch die Stadt laufen.

Hans Greiner ist inzwischen aufgestanden und zeigt auf die Granitplatte mit dem Loch sowie auf die, die um sie herumliegen. Überall finden sich vergleichbare Spuren. Da die Löcher sehr ähnliche Formen haben, eine vergleichbare Dynamik, wie Greiner sagt, könne man aus ihnen zwei Rückschlüsse ziehen: Erstens dürften die Sprengkörper, welcher Art sie auch waren, nicht senkrecht von oben, sondern im seitlichen Winkel aufgeprallt sein. Und zweitens handelt es sich an dieser Stelle wohl um einen „In situ“-Fund – das........

© Berliner Zeitung