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Ein Fall, zwei Systeme: russischer Cold Case in Kärnten

17 10
thursday

Was man mit Sicherheit weiß: Am 8. Juli 2001 kam in einer Spelunke im tiefsten Russland ein Mensch gewaltsam ums Leben. Irgendwer hat – wohl im Streit – mit einem zwölf Zentimeter langen Messer auf Aleksander U. eingestochen. Dieser erlag wenige Stunden später in einem Krankenhaus seinen Verletzungen. Das Verbrechen ereignete sich in der Großstadt Dimitrowgrad, gut 800 Kilometer Luftlinie von Moskau entfernt. Bis Klagenfurt sind es 2.500 Kilometer.

Ziemlich genau 24 Jahre später hat sich hier nun ein Geschworenengericht in der Landeshauptstadt Klagenfurt mit diesem Cold Case beschäftigt. Mord und Totschlag verjähren nicht, weder in Österreich noch in Russland. Wer einem anderen Menschen das Leben nimmt, soll dafür bestraft werden, das gilt im Grunde auch in einer Diktatur, wie sie Russland inzwischen zweifellos eine ist.

Die acht Geschworenen mussten Ende Juni darüber urteilen, ob ein 44-jähriger Tschetschene (dessen Name nicht genannt werden darf), der seit vielen Jahren als anerkannter Flüchtling in Kärnten lebt, die Tat begangen hat. Am Ende waren sie sich einig: Er war es nicht. Richter Christian Liebhauser-Karl verkündete schließlich einen glatten Freispruch, der Familienvater konnte das Gericht als unbescholtener Mann verlassen. Es hätte aber auch anders kommen können.

Denn der Fall wurde nur deshalb neu aufgerollt, weil die russischen Behörden im Sommer 2021 einen Antrag auf Auslieferung des angeblichen Schwerverbrechers gestellt hatten. Wenige Monate später brach Russland einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine vom Zaun und katapultierte sich damit endgültig aus der Gemeinschaft demokratischer Länder. Im staatlichen Fernsehen rufen kremlnahe........

© Wiener Zeitung