Aus dem Bunker, auf das Green
Mykola hat verschraubte Titan-Platten in der Wirbelsäule. Oleksandr fehlt ein Bein – er trägt eine Prothese. Musika sitzt im Rollstuhl – er hat noch keine Prothese. Kyril hat einen gelähmten Arm, der in einer Schlinge hängt, ein zerschmettertes Hüftgelenk, ein vernarbtes Auge. Und Sasha Kikin, der steht da auf dem Übungs-Green mit seiner Beinprothese, auf den Golfschläger gestützt, als wäre er ein Säbel, eine Zigarre im Mundwinkel. Es ist Montagmorgen auf dem Kozyn-Golfplatz nahe Kiew. Und die rund 20 Männer mit Stabilisatoren im Bein, fixierten Armen, Prothesen, im Rollstuhl sitzend oder auf Krücken, schlagen Bälle in die Löcher – oder daran vorbei. Und Sasha Kikin, der stakst zwischen ihnen umher auf seiner Prothese, eine Zigarre im Mund, wie eine Dampflok, ein Wölkchen hinter sich herziehend, gibt Tipps, wie man den Schläger hält, worauf man den Blick richtet, wie man zum Ball steht – oder eben sitzt.
Sasha Kikin ist Golftrainer. Und die Gruppe, die er da trainiert, das sind allesamt Veteranen und Kriegsinvalide. Und Sasha Kikin ist einer von ihnen. Auch er hat gekämpft, sein linkes Bein verloren, damals in Slowjansk. Heute trainiert er Leute, deren Körper und Leben für immer gezeichnet sein werden von Explosionen, Schusswunden, Schrapnellen, Quetschungen und Trauma. Weil es einen Unterschied macht, ob da einer steht, der den Krieg mit eigenen Augen gesehen hat und von Schusszone, Handicap und Bunkern spricht, oder eben nicht.
Elf Jahre Krieg und dreieinhalb Jahre russische Großinvasion haben Invalidität in der Ukraine zu einem sichtbaren Thema gemacht. Ein Thema ist das, das all zu oft verschluckt wird in den Plattenbauten einer Metropole, wie Kiew eine ist. Oder den Häuschen eines Dorfes ohne gepflasterte Straßen. Sasha Kikin sagt: „Der Unterschied zwischen der EU und der Ukraine sind 15 cm.“ So hoch sind Stufen im Durchschnitt. Für einen gesunden Menschen mit zwei gesunden Beinen kein Problem – für jemanden wie Sasha Kikin waren sie unüberwindbar. „Ich habe auch nicht darauf geachtet, bevor ich behindert wurde – und dann habe ich gesehen, wie gefährlich ein 15 cm hoher Randstein sein kann, wenn man den hinuntersteigen muss.“
Und dann hat er angefangen, Golf zu spielen.
2017 war das. Und wieso gerade Golf? Sasha Kikin sagt: „Erstens können praktisch alle Invaliden-Gruppen........
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