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Polens vergeigtes Märchen

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14.05.2025

Der Seufzer am anderen Ende der Leitung ist unüberhörbar. Wieder einer dieser Anrufe, bei dem man sich Hoffnung aus Polen wünscht. Wieder soll man die Mär über Premierminister Donald Tusk erzählen, wie es ihm gelang, im Oktober 2023 die regierenden Populisten der Recht-und Gerechtigkeitspartei (PiS) bei der Parlamentswahl aus dem Amt zu jagen. Ein geeinter Oppositionsblock, der acht Jahre illiberale Demokratie an der Wahlurne beendete – mit dem Versprechen, Polen zurück auf den Weg der Rechtsstaatlichkeit zu bringen.

Euphorisch war man damals. In Polen, in Europa, in der ganzen Welt. Polen hat das populistische Experiment überlebt. Und wenn es Polen überlebt hat, vielleicht überleben es auch andere? Nicht umsonst häufen sich dieser Tage die Anrufe aus den USA bei polnischen Expert:innen. Erst jüngst sollte die Rechtswissenschaftlerin Aleksandra Gliszczynska-Grabias in der New York Times skizzieren, wie das „Playbook“ einer Demokratie-Rettung aussieht. Sie soll den Amerikaner:innen Hoffnung mit Polen machen. Doch taugt Polens politische Realität wirklich dafür?

Knapp eineinhalb Jahre sind seit der Wahl 2023 vergangen. Wo steht Polen jetzt? Ist der kaputte Rechtsstaat repariert? Etwa der Verfassungsgerichtshof, der Oberste Gerichthof, der Richterwahlausschuss, allesamt in den PiS-Jahren politisierte Institutionen, denen jegliche Unabhängigkeit und damit Legitimität fehlt?

Nein.

Fehlanzeige.

Nichts ist repariert.

Um es drastischer zu formulieren: Sollte die alte PiS-Mannschaft wiedergewählt werden, würde sie alles so vorfinden, wie sie es hinterlassen hat. Fast alles. Nur kleine Erfolge konnte die aktuelle Regierung bislang verbuchen. Ihr ist es dank einer Gesetzeslücke etwa gelungen, den unter der PiS-Regierung zu einem Propagandasender mutierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu entpolitisieren. Außerdem konnte man der Bevölkerung signalisieren, dass man alle Hebel in Bewegung setzt, um korrupte Politiker:innen strafrechtlich zu verfolgen und vor Gericht zu bringen.

Doch die großen Würfe stehen aus. „Es gibt Hoffnung, aber ich glaube nicht, dass sie hier in Polen ist, zumindest nicht jetzt“, sagt der Jurist Krzysztof Izdebski von der Stephan-Báthory-Stiftung zur WZ. Er arbeitet seit Jahren an Vorschlägen, die die polnische Justiz wieder stärken sollen. Zuletzt hat er ein Gesetz der Regierung mitentworfen, das den polnischen Verfassungsgerichthof resilienter und robuster machen soll. Ein Gesetz, das wie so viele in der Schublade liegt.

Der Grund für die ausstehende Umsetzung: Polens Präsident Andrzej Duda, ein PiS-Verbündeter. Er machte sehr schnell nach der Parlamentswahl klar, dass er kein Interesse daran habe, die Reformen der Vorgängerregierung rückgängig zu machen. Er hielt sich daran. Denn erst mit seiner Unterschrift treten Gesetze in Kraft. Um sein Veto zu überstimmen, bräuchte die Regierung........

© Wiener Zeitung