Trippi Troppi: Verrotte dein Hirn, aber mach es bewusst!
Es ist hellbraun, so groß wie zwei geballte Fäuste, bestehend aus 50 bis 60 Prozent Fett, ähnelt optisch einer großen Walnuss und beherbergt rund 100 Milliarden Nervenzellen: Die Rede ist vom menschlichen Gehirn. Prunkvoll haust es in unseren Köpfen. Doch was ist das? Eine kleine faulende Stelle. Hier verrottet es.
Der Anblick erinnert an das Bild des verwahrlosten Krabbenburgers aus der Welt von Spongebob Schwammkopf. Schuld daran: Trippi Troppi, Bombardino Crocodilo, Ballerina Cappuccina und Špijuniro Golubiro.
Es handelt sich um Brainrot-Figuren, die plötzlich auf Social Media Plattformen auftauchen und Influencer:innen die Show stehlen. Sie sind animierte Tierwesen in schrillen Outfits, die in loopenden Clips tanzen, rufen und mit verzerrter, Italienisch-klingender KI-Stimme Phrasen wie „Tralalero Tralala“ oder „Trippi Troppi, Troppa Trippa“ wiederholen – eine Mischung aus Meme, Musikvideo und digitalem Cartoon. Und: Sie werden millionenfach angeschaut und geliket.
Stopp. Viele Leser:innen werden sich jetzt fragen: Was lese ich hier gerade? Verblödet die Generation Z total? Ist die Menschheit verloren? Und noch viel wichtiger: Müssen wir uns Sorgen machen? Andere wiederum werden leise schmunzeln. Endlich stehen die KI-Figuren mal im Rampenlicht, die ihren Social Media-Feed längst übernommen haben.
Der 29-jährige Georg öffnet seine Instagram-App. Er hat es aufgegeben, die Social Media Plattform aus seinem Leben zu streichen, den Kreislauf von Löschen und Wieder-Herunterladen hat er schon oft durchgespielt. Seine Daumenspitze wandert zur For You Page.
Sein Hirn macht einen Freudensprung. Zu sehen: Ein kleiner blauer Hai in übergroßen Nike Blazers, eine düstere, elegante Taube im Trenchcoat und ein glupschäugiger Katzenkopf mit Hummer-Körper. „Noooo, La Polizia”, dröhnt aus seinem Handy. Es wird bunt, schnell und sinnbefreit. Georg lächelt selig.
„Es ist einfach die ultimative Steigerung von kurz aufs Handy schauen oder E-Mails checken”, sagt Georg. „Es fühlt sich an, wie eine Reizüberflutung. Eine Reizüberflutung, die zur Gewohnheit wird. Ein ständiges Überladen des Gehirns.”
Brainrot beschreibt primär das Gefühl geistiger Überreizung durch dauerhafte Social Media-Reize. Kurzvideos von Brainrot-Figuren haben es geschafft, dieses Gefühl zu übertreiben und zu perfektionieren. Dieser Reiz wird abrufbar.
Ob ihn das entspannt? „Überhaupt nicht irgendwie”, Georg lacht, es stresse ihn und führe sogar dazu, dass er schlechter schlafen kann.
Felix Müller-Sarnowksi ist Psychiater, Psychotherapeut und Neurologe. Er beschäftigt sich mit neurodegenerativen Erkrankungen und mit medizinischer Informatik. Für ihn macht das Verhalten von Georg Sinn. „Der ständige Reiz wird über das sogenannte limbische System vermittelt“, erklärt der Hirnforscher – also den Teil........
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