Handyfreie Schule: Jetzt kommt sie doch
Vor gut einem halben Jahr haben wir unsere Serie zum Thema „Klassenkampf ums Smartphone“ veröffentlicht. Viele Reaktionen haben uns erreicht. Die Politik war damals noch sehr zurückhaltend, obwohl uns viele Direktor:innen, Lehrer:innen und auch Schüler:innen von ihren Problemen, vom täglichen Kampf ums Handy in den Schulen erzählt haben. Der damalige Bildungsminister Martin Polaschek meinte, dass die Eltern ein Recht darauf hätten, ihre Kinder erreichen zu können. Wiens Bildungsdirektor Heinrich Himmer sah ebenfalls keinen Handlungsbedarf. Er betonte, dass der Schulstandort selbst festlege, ob das Handy an der Schule von Schüler:innen verwendet werden darf oder nicht. Bildungsstadtrat und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr – seit Anfang März Bildungsminister – schloss sich damals Himmers Einstellung an.
Heute, ein Jahr danach, sieht das anders aus: Die Politik spricht vom „Handyverbot“ an Schulen. Was hat sich seitdem verändert? Wir geben euch einen Überblick, was künftig mit dem Smartphone an Schulen passiert.
Immer mehr europäische Länder wie etwa jüngst Dänemark verbannen das Smartphone aus den Schulen. Auch die neu gebildete Koalition von ÖVP, SPÖ und Neos hat das Handyverbot in das Regierungsprogramm aufgenommen. Der neue Bildungsminister Christoph Wiederkehr sagte dazu am 18. Februar 2025: „Das Handy ist ein echter Konzentrationskiller im Klassenzimmer.“ In einem Expert:innenrat aus Vertreter:innen von Lehrkräften, Schulleitungen, Eltern, Schüler:innen, Bildungsverwaltung, Vertreter:innen aus Medienpädagogik und Gesundheitspsychologie habe es einen breiten Konsens für handyfreie Unterrichtszeit und Pausen gegeben. Viele Gespräche der WZ mit Direktor:innen, Lehrer:innen und Schüler:innen haben gezeigt, dass das Handy ein echtes Problem in der Schule ist: „Wir können nicht mehr unterrichten. Wir können nicht mehr unseren Bildungsauftrag erfüllen“, sagte etwa Direktorin Hemma Poledna zur WZ.
Im Regierungsprogramm steht dazu folgendes: „Es werden klare Regelungen zur altersgerechten Umsetzung eines Handyverbots in der Schule, abseits der gezielten Nutzung von Handys in der Unterrichtszeit, vorgegeben. Diese wird im Sinne eines verantwortungsbewussten Umgangs mit begleitenden pädagogischen Maßnahmen unterstützt.“ Allerdings ist das noch wenig konkret. Die Frage, ob man den Begriff „Handyverbot“ verwenden kann, beziehungsweise inwieweit man Schulen überhaupt ein solches Verbot vorschreiben kann, ist noch ungeklärt. Denn fest verankert im Schulrecht ist die sogenannte Schulautonomie. Das bedeutet, dass Schulen ihre Hausordnungen selbst festlegen können – gemeinsam mit Eltern, Lehrer:innen und Schüler:innen-Vertreter:innen.
Der neue Bildungsminister will noch im März eine Verordnung erlassen, die das Handy und Smartwatches im Unterricht und in den Pausen verbieten soll. Volksschulen, Mittelschulen und die Unterstufe sollen handyfreie Zonen werden. „Geplant ist eine Novelle der Schulordnung, in der ein generelles Handyverbot für die Primar- und Sekundarstufe I umgesetzt werden soll“ , heißt es aus dem Bildungsministerium dazu. Der Grundgedanke der Schulautonomie soll dabei aber erhalten bleiben. Die Schulen können weiterhin via Hausordnung oder durch die Anordnung einer Lehrperson bestimmen, wann das Handy verwendet werden darf. Die Neuregelung soll laut Wiederkehr bewirken, dass Schulen nicht wie bisher darüber nachdenken müssen, wo das Handy verboten werden muss (mit einer Verankerung in der Hausordnung), sondern darüber, wie und wo das Handy sinnbringend im Unterricht und im Schulbetrieb genutzt werden kann. Eine Verordnung ist jedenfalls verbindlich – wie alle anderen Verordnungen im Rechtsstaat Österreich auch.
Schon 2017 zeigten Studien wie die Brain-Drain-Studie, dass die bloße Anwesenheit eines Smartphones ablenkt und die Gedächtnisleistung reduziert. Es ist nicht nur das Handy selbst, auch das ständige Gefühl der Erreichbarkeit stört den Lernprozess. Dies kann zu schlechten Noten führen und die zwischenmenschliche Kommunikation gefährden. Die starke Abhängigkeit von Smartphones lässt Lehrer:innen oft hilflos zurück. Sie haben kaum eine Möglichkeit, gegen die Handynutzung anzukämpfen. Schon als wir mit der Recherche zu unserer Artikel-Serie begannen, war die Situation auf Seiten der Lehrer:innen sehr angespannt. Viele berichteten von Vorfällen, bei denen Schüler:innen während des Unterrichts in die Garderobe verschwanden, um TikTok-Clips anzuschauen. Andere taten minutenlang so, als suchten sie etwas im Rucksack, um heimlich „Brawl Stars“ zu spielen. Die Schüler:innen seien trickreich, so der Tenor der Lehrer:innen. Und nicht nur die Konzentrationsfähigkeit der Schüler:innen leidet unter dem Smartphone. Eine Studie aus der Fachzeitschrift BMJ........© Wiener Zeitung
