Energiearmut: Europas Preis für verpasste Renovierungen
Steigende Preise trotz kalter Wohnungen – die österreichische Bevölkerung bekam die Energiekrise in den vergangenen Wintern zu spüren. In ganz Europa steigen die Wohnkosten kontinuierlich. Vor allem die hohen Energiepreise treffen die Bevölkerung hart.
Die Folgen: Knapp elf Prozent der europäischen Bevölkerung ist mittlerweile von Energiearmut betroffen. 50 Millionen Menschen können ihre Wohnung nicht mehr angemessen heizen.
Auch in Österreich verschärft sich die Lage. Mit dem Ende der Strompreisbremse steigen die Energiekosten weiter – mit bislang noch ungewissen Folgen für viele Haushalte.
Dieser Artikel entstand in einer länderübergreifenden Recherchekooperation mit dem Urban Journalism Network.
Theoretisch betrachtet könnte die Sanierung von Gebäuden mehrere Probleme auf einmal lösen. Weniger Menschen würden in kalten Wohnungen leben und die Energiekosten zum Heizen würden sinken.
Vorteilhaft wären ebenfalls die Auswirkungen auf die Klimabilanz. Denn auf den Gebäudesektor fallen europaweit mehr als 30 Prozent der Treibhausemissionen. Österreich liegt hier mit weniger als zehn Prozent zwar weit unter dem Schnitt, doch der Einsatz von Strom und Fernwärme wird aktuell dem Sektor Energie und Industrie zugeteilt.
Soweit die Theorie. In der Realität jedoch wird sehr wenig renoviert, europaweit liegt die Quote bei knapp einem Prozent. Der Grund: Renovierungen und Umrüstungen lohnen sich für viele Vermieter:innen kaum. Und wenn doch, tragen die Kosten am Ende meistens wieder die Mieter:innen. Denn eine Investition in alternative Energiequellen wie eine Wärmepumpe steigert auch den Wert einer Immobilie.
In Österreich sind etwa 358.000 Personen von Energiearmut betroffen. Das meldet die Koordinierungsstelle zur Bekämpfung von Energiearmut (kea), welche 2023 vom Klimaschutzministerium ins Leben gerufen wurde. Mit insgesamt vier Prozent der Bevölkerung liegt Österreich zwar unter dem europäischen Durchschnitt, eine Quartalserhebung von Statistik Austria jedoch zeigt, dass sich 30 Prozent, die für ihren Haushalt benötigte Energie nur leisten konnten, weil sie den Verbrauch verringerten.
Besonders hart trifft es sozial schwache Gruppen und Alleinerziehende. In Österreich lebt rund ein Fünftel von ihnen in feuchten oder baufälligen Wohnungen, 11 Prozent kann sich das Heizen nicht leisten. Mehr als ein Drittel gibt mehr als 40 Prozent des Einkommens zum Wohnen aus. Weit mehr als die Hälfte der von Energiearmut betroffenen Menschen in Österreich leidet mittlerweile unter chronischen Krankheiten die mit ihrer Wohnsituation zusammenhängen.
Gerade Mieter:innen befinden sich oft in einer schwierigeren Lage als Eigentümer:innen. Die traurige Bilanz: Der Anteil der österreichischen Mieter:innen, die in feuchten Wohnungen leben, ist etwa dreimal so hoch wie im Nachbarland Deutschland.
In ganz Europa steigen die Wohnkosten gewaltig. Seit 2015 erhöhten sich die Verbraucherpreise für Wohnraum in der EU um 37 Prozent – in einigen Ländern sogar um 100 Prozent.
Das Interessante dabei ist, dass die Energiepreise in den meisten EU-Ländern stärker und schneller steigen als die Mieten selbst. Oft weit über die Gesamtinflationsrate hinaus.
Obwohl die Mieten nach wie vor den größten Teil der Gesamtwohnkosten ausmachen, tragen die steigenden Energiekosten zunehmend zu einem erheblichen Anstieg der Lebenshaltungskosten bei. Auch in Österreich, wo der Mietmarkt im EU-Vergleich stark reguliert ist.
Der Krieg in der Ukraine ist zwar der Hauptauslöser für die hohen........
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