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„Ich weiß nicht, ob die Leute das überleben“

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19.10.2025

„Ziemlich oarsch und mehr als unnötig.“ Mehr hat Markus nicht über jenen Bahnhof zu sagen, von dem aus er jeden Tag nach Wien pendelt. Gemeint ist der neu renovierte Bahnhof in Hetzmannsdorf-Wullersdorf, etwa eine Stunde von Wien. Zwischen Feldern, einem Sägewerk und einem Baustoffhändler, da liegt er: Glatte Fliesen, Edelstahlgeländer, großzügige Glasflächen und eine moderne Unterführung, um zum mittleren Bahnsteig zu gelangen. Direkt daneben steht das alte, gelbe Bahnhofshaus, das auf eine neue Aufgabe zu hoffen scheint und bis dahin weitgehend versperrt bleibt. Etwa jede Stunde fährt hier ein Zug. Wer nach Barrierefreiheit sucht, wird sie hier nicht finden und auch Toiletten gibt es hier keine. Diesen Aufwand wollte keiner bezahlen. Die ÖBB verweisen auf die Gemeinde, die Gemeinde auf die ÖBB.

Um von hier zu sich nachhause, nach Großkadolz, zu kommen, müsste der 32-jährige Markus nachher noch – je nach Tageszeit – ein bis zwei Busse nehmen, eine einstündige Rundfahrt durch alle anderen Dörfer inbegriffen, deswegen fährt er lieber mit dem Auto. Doch auch damit braucht er 20 Minuten, vorbei an verschiedenen Feldern und den vielen Weinreben, die dem Gebiet den Namen „Weinviertel“ geben.

Großkadolz liegt im Pulkautal, einer Gegend, die für ihre schmucken Kellergassen bekannt ist. Weinkeller sind hier kleine Häuser an eigenen Straßen, die über die wirklichen Keller gebaut sind. Oft hat man neben dem Haus noch eine gemütliche Feuerstelle, an der man sich auf ein Glas Wein aus der eigenen Sammlung trifft.

Rund 580 Einwohner:innen leben in Großkadolz, vor 100 Jahren waren es noch mehr als doppelt so viele. Der Ort steht stellvertretend für viele in der gleichen Situation – im Weinviertel und anderswo. Österreich schrumpft nicht überall gleich, aber das Dorfsterben ist messbar: 406 Gemeinden haben weniger als 1.000 Einwohner:innen, das sind rund ein Fünftel aller Orte. Fast zwei Drittel liegen unter 2.500. Prognosen zeigen klar die Richtung: Bis 2040 verlieren die kleinen Orte weiter Menschen, während die Städte im Schnitt um rund sieben Prozent wachsen. Meist bleibt die ältere Generation zurück: Die stärkste Altersgruppe im Weinviertel sind die 55- bis 59-Jährigen, also jene kurz vor der Pension. Das bedeutet weniger Erwerbstätige, mehr Pflegebedarf.

Wenn Menschen wegziehen, sinken die Einnahmen der Gemeinde, weil weniger Geld in die Ortskasse fließt. Dadurch stehen auch weniger Mittel zur Verfügung, um die Region attraktiver zu gestalten. In Österreich wirkt sich das besonders stark aus, da die Gemeinden im Rahmen des sogenannten........

© Wiener Zeitung