„Ambulance Chasing“ und die Verführung des Boulevards
Manchmal sind es Korruptionsprozesse, bei denen die Angeklagten Bundesminister (zuletzt etwa Karl Heinz Grasser) waren. Manchmal sind es Morde, die besonders grauenvoll erscheinen – etwa an Babys oder Familienmitgliedern – oder die Details aufweisen, die im gedruckten Kleinformat für Gänsehaut sorgen – wie etwa der Fall Josef Fritzl.
Und hier wittern manche Jurist:innen die Möglichkeit, den eigenen Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Manchmal aber mit fragwürdigen Methoden, sodass die Standesvertretung auf den Plan gerufen wird.
Grundsätzlich sind in Österreich die Gerichtsverhandlungen öffentlich. Das soll für Transparenz und Qualität sorgen. Nur manchmal ist der Ausschluss der Öffentlichkeit zulässig, meistens aus einem Opferschutzgedanken heraus.
Wenn über die Verhandlungen oder den Prozess berichtet wird, ist das auch eine Schaubühne für die Arbeit von Rechtsanwält:innen. Und irgendwann brauchen die Jurist:innen gar nicht mehr die Verhandlung an sich, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Über ihre bestehenden Medienkontakte können sie selbst die Öffentlichkeit suchen, die Medien selbst anrufen – oder von ihnen angerufen werden.
So könne man – meistens im Boulevard – dann den Einschätzungen von Jurist:innen entnehmen, dass deren Mandant:innen verschiedene Emotionen haben – von reuig über geständig bis zu tränenreich. Oder im Begriff sind, eine neurologische Krankheit zu entwickeln. Alles ist hier möglich. Artikel wollen gelesen werden. Nachrichtenformate im Internet müssen befüllt werden.
Ein gewisser Typus an Jurist:innen hat sich mit der Situation mehr als arrangiert.
Grundsätzlich dürfen Rechtsanwält:innen Werbung in eigener Sache betreiben – solange sie wahr und sachlich ist. Standesrecht sollte gewahrt werden.
Das ist allerdings oft eine Gratwanderung.
„Wenn jemand aus der Kollegenschaft als ‚Staranwalt ‘ oder........
© Wiener Zeitung
