Wolt-Lieferdienst: „Das funktioniert nur mit uns Ausländern“
Ein Mittwochnachmittag Ende Mai, 22 Grad. Auf der Wiener Einkaufsmeile Mariahilfer Straße tratschen Jugendliche über erbeutete Schnäppchen, Tourist:innen genießen ihre Eisbecher und alle scheinen sich irgendwie zu freuen, dass es endlich warm wird. Einer nicht. „Sonne ist immer schlecht“, brummt Rana* und blinzelt durch die Baumkrone in den wolkenlosen Himmel.
Rana ist Mitte 30, hat pechschwarzes Haar und liegt gelangweilt auf seinem E-Roller. In Afghanistan hatte Rana seine eigene Metzgerei betrieben, hierzulande fährt er seit einem Jahr für die Zustellplattform Wolt Pizza, Cola, Katzenfutter oder Klopapier aus. Eigentlich, denn seit 30 Minuten lungert er hier im Schatten herum und wartet auf den nächsten Auftrag. Rana kommt die Warterei teuer.
Die Plattform im türkisblauen Design ist ein Tochterunternehmen des US-Konzerns Doordash und neben Lieferando (orange) und Foodora (pink) seit 2023 der dritte größere Anbieter auf dem österreichischen Essenszustellmarkt. Wer verstehen will, wie Wolts Geschäftsmodell funktioniert und wieso Fahrer wie Rana die Sonne fürchten, wirft am besten einen Blick in den Konzernbericht.
Darin heißt es einerseits, dass man „unvorteilhafte Medienberichte in Bezug auf unser Geschäftsmodell“ tunlichst vermeiden möchte, und andererseits, dass man in finanzielle Schwierigkeiten gerate, sollten Länder arbeitsrechtlich nachschärfen. Konkret könnten Forderungen nach „sozialer Sicherheit“, „gewerkschaftliche Organisierung“ und die „Einstufung von Fahrer:innen als Arbeitnehmer:innen“ für die Doordash-Unternehmen „nachteilige Auswirkungen auf das Geschäftsmodell, Finanzlage und Umsätze“ haben.
Auf eine „Einstufung von Fahrer:innen als Arbeitnehmer:innen“ verzichtet Wolt auch in Österreich. Zusteller:innen in Österreich sind ausschließlich als sogenannte freieDienstnehmer:innen beschäftigt. „Du kannst deine Schichten flexibel planen und arbeiten, wann und von wo aus du willst“, bewirbt Wolt das Modell. Doch diese Flexibilität hat ihren Preis. Für freie Dienstnehmer:innen gilt kein Kollektivvertrag, das bedeutet, sie haben keinen Anspruch auf Mindestlohn oder auf ein 13. und 14. Gehalt. Sie werden im Urlaub oder bei Krankheit nicht bezahlt und können keinen Betriebsrat wählen. Außerdem bezahlen sie für Betriebsmittel wie Handy, Rad oder Roller selbst.
Auf Nachfrage erklärt Wolt, man habe sich bewusst für das Modell der freien Dienstnehmer:innen entschieden. Nur so könne man „die Flexibilität bieten, die unsere Kurierpartner schätzen und diese mit den Schutzmaßnahmen in Einklang bringen, die sie verdienen“.
Wolt-Fahrer:innen erhalten keinen Stundenlohn, sondern werden pro Auftrag bezahlt, laut der Ausstellung „Zwischen Pick-up & Drop-off“ (Wien Museum) im Schnitt zwischen vier und fünf Euro brutto. Die Bezahlung ist abhängig von der Distanz, Art der Bestellung, Wetter und Tageszeit. Für eine Lieferung von der Innenstadt nach Kaisermühlen (ca. 6,3 Kilometer) bietet Wolt an einem Tag 5,50 Euro,........
© Wiener Zeitung
