Taliban in der Herrengasse
Vergangene Woche wurde bekannt, dass Mitglieder des Taliban-Regimes nach Österreich angereist waren, um mehrere inhaftierte afghanische Geflüchtete zu identifizieren – im Auftrag des österreichischen Innenministeriums. Richtig gelesen. Die Taliban, jene Extremisten, die seit nun mehr als vier Jahren in Afghanistan mit brutaler Gewalt regieren, Mädchen und Frauen unterdrücken und hauptsächlich damit beschäftigt sind, eine brutale Diktatur zu errichten, waren in Wien und wurden hier, so kann man es sicherlich sagen, vom Bundesinnenministerium freundlich in Empfang genommen.
Wer genau hier war, will die Regierung weiterhin nicht verraten. Es hieß lediglich, dass die Einreise rechtmäßig erfolgt sei. Doch höchstwahrscheinlich geht es um jene zwei Taliban-Mitglieder, die bereits in Deutschland vor wenigen Wochen für Aufsehen sorgten. Kein Wunder, denn erstmals wurde nach der Machtübernahme der Extremisten im August 2021 diplomatisches Taliban-Personal in Europa akkreditiert. Von einem liberalen, demokratischen Staat. Nun scheint dies in Österreich fröhlich weiterzugehen.
Um das Gesamtausmaß des Geschehens zu verstehen, ist ein kurze Erläuterung der politischen Entwicklungen Afghanistans unumgänglich: Nach der Rückkehr der Taliban fiel die afghanische Republik in sich zusammen. Die vom Westen gestützte Chaosregierung von Präsident Ashraf Ghani flüchtete ins Ausland. Auch die damalige Armee sowie sämtliche staatliche Institutionen zerbrachen. Das Einzige, was am Anfang blieb, waren die diplomatischen Außenstellen der Republik, sprich, Botschaften und Konsulate. Ihr Status war ungeklärt – und er ist es in viele Fällen bis heute noch.
Doch bereits kurz nach ihrer Machtergreifung begannen die Taliban, auch die Außenstellen rund um den Globus ins Visier zu nehmen. Das „Emirat“, wie sich die Taliban nennen, wollte nicht nur in Kabul, sondern auch im Ausland neue Realitäten schaffen. Vor allem in der Nachbarregion Afghanistans geschah das schnell. In Pakistan, Iran, Usbekistan oder etwa auch in China sitzen schon längst „Taliban-Diplomaten“. Selbiges ist auch in Nahost, etwa in den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei, Saudi-Arabien und natürlich Katar, das für den........
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