„Schafft sie alle raus“ – Afghan:innen im Iran
„Ich weiß nicht, wann ich mich wieder melden kann. Vielleicht war es nicht klug, hierherzukommen. Afghanistan wäre sicherer gewesen“, sagt Sayyed Ahmad*, Mitte dreißig, während eines WhatsApp-Telefonats mit mir. Tagelang funktionierte seine Internetverbindung nicht. Dann half ein Nachbar mit Elon Musks „Starlink“ aus. Mittlerweile wurde dessen Benutzung vom Regime in Teheran verboten. „Wer ‚Starlink‘ benutzt, gerät unter Verdacht, mit dem ‚Feind‘, also dem israelischen Geheimdienst Mossad, zusammenzuarbeiten. Man wird verhaftet und vielleicht sogar hingerichtet“, sagt Ahmad aufgeregt. Vor rund einem Jahr flüchtete der Afghane aus Kabul nach Teheran. Er knüpfte Kontakte zu Freunden, mit denen er einst studiert hatte und hoffte, dass er im Iran einer Tätigkeit für die Vereinten Nationen oder der IOM (Internationale Organisation für Migration) nachgehen könne. „Hier leben viele geflüchtete Afghanen und es hieß, dass man fähiges Personal brauchen würde“, so Ahmad. Letzten Endes wurde nichts daraus. Als Israel im Juni anfing, den Iran zu bombardieren, fand sich Ahmad, ähnlich wie die über vier Millionen afghanischen Geflüchteten, die laut UNHCR-Schätzungen im Iran leben, in einem neuen Krieg wieder. Und nun sind es ausgerechnet afghanische Geflüchtete, die für diesen Krieg und dessen Verlauf und Ausgang verantwortlich gemacht werden.
Schon kurz nach Beginn der israelischen Angriffe schien es, als ob das Mullah-Regime für das eigene Versagen den perfekten Sündenbock gefunden hatte. Wieder einmal mussten afghanische Geflüchtete herhalten. Einst galten sie als „Diebe“, „Vergewaltiger“ oder „Terroristen“. Nun sind sie „Spione“ oder „Kollaborateure“ des israelischen Auslandgeheimdienstes Mossad. Sie sollen den Israelis Koordinaten geliefert oder für sie Drohnen gebaut haben. Noch während des Krieges wurden zahlreiche afghanische Männer verhaftet und im Staatsfernsehen vorgeführt. Ihre Bilder verbreiteten sich in den sozialen Medien, auf Instagram oder auf TikTok. „Wir bekamen es mit der Angst zu tun und wussten, dass wir nun auch hier nicht mehr sicher sind“, berichtet Akhtar Mohammad*, der nach der Rückkehr der militant-islamistischen Taliban in Kabul mit seiner Familie in den Iran flüchtete. „Ein zweites Taliban-Regime wollte ich nicht mitmachen. Ich wollte das meinen Töchtern nicht antun“, so Mohammad.
In erster Linie assoziieren viele Afghan:innen mit dem Iran Ausbeutung und........
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